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Krippelezeit – Tiroler Krippentradition

Krippelezeit – Tiroler Krippentradition. Die Tiroler Krippentradition ist eine lange. Einer, der die Tradition des Krippenbaus fortführt, ist Franz Waldner.

Die Tiroler Krippentradition ist eine lange. Einer, der die Tradition des Krippenbaus fortführt, ist Franz Waldner. © Foto: Amadeus Waldner

Krippen haben in Tirol eine lange Tradition, vielerorts schmücken sie Stuben und Kirchen. Selten aber sind die Figuren so originalgetreu und prächtig wie jene von Franz Waldner

Als erstes erscheinen inmitten der großen Hände zwei spitze Ohren. Dann der Kopf, der Bauch und schließlich der Rest des zerbrechlichen Holzkörpers. Langsam und behutsam werden die Schafe ausgewickelt. Fast ein Jahr haben sie in ihrer vollgepackten Kiste im Keller verbracht. Die großen, etwas robusteren Figuren unten, am Boden der Kiste, die filigranen Figürchen darauf. Jede einzelne verpackt in Watte und Zeitungspapier. Jetzt, kurz vor Weihnachten, erblicken sie wieder das Tageslicht.

Begleitet von einem herrlichen Duft, dem süßlichen Aroma des Zirbenholzes. Die großen Hände, welche das Schäfchen halten, gehören Franz Waldner, 65. Holzkisten, Wurzelstöcke und Schubkarren voll mit Moos stehen ungeordnet in seinem Wohnzimmer. Alljährlich zur Weihnachtszeit verwandelt es sich in eine riesige Krippenlandschaft, bevölkert von Hirten, Ochsen, Eseln, Schafen, Ziegen und natürlich der Heiligen Familie. Mehr als 300 Krippenfiguren, jede von Hand geschnitzt.

Krippelezeit – Tiroler Krippentradition.

© Foto: Amadeus Waldner

Während andere vor Weihnachten gestresst durch die Einkaufsstraßen hetzen baut Franz Waldner drei Tage lang seine Krippe in der heimatlichen Stube im Südtiroler Vinschgau auf. Sorgfältig und bedächtig, begleitet von leiser Zithermusik. „Weihnachten ist für mich etwas Besonderes. Es freut mich, mit meiner Krippe einen Beitrag zu einer alten Tradition zu leisten. Beim Krippenbau kann ich zudem für mich Ruhe finden, meine Gedanken sortieren“, sagt Waldner. Vor 20 Jahren hat der pensionierte Schuldirektor aus dem Marmordorf Laas, die Leidenschaft für den Krippenbau entdeckt. „Von Verwandten habe ich damals die ersten Figuren geschenkt bekommen, wunderschöne handgeschnitzte – und dann musste ich ihnen ein schönes Zuhause geben“, erinnert er sich. „Zunächst war es nur der Stall für die Heilige Familie, dann kam noch eine Weide für die Hirten dazu und irgendwie wurde die Krippe von Jahr zu Jahr größer.“ Inzwischen misst sie drei mal drei Meter und nimmt in der Weihnachtszeit die halbe Stube ein. Viele der Krippenhäuser sind detailgetreu alten Bauernhöfen aus dem Ort nachempfunden. In wochenlanger Kleinarbeit baute Waldner die Dachschindeln der Höfe nach, feilte Balken von Stallgiebeln. „Viele der Höfe existieren heute gar nicht mehr. Sie wurden renoviert oder mussten modernen Gebäuden weichen. Auf der Krippe erinnern wir uns ein klein wenig an ihre ursprüngliche Architektur“, so Waldner. Die Figuren sind aus Zirbenholz aus heimischen Wäldern. Es eignet sich besonders gut zum Schnitzen, ist weich und hat eine feine Struktur. Das darin enthaltene ätherische Öl wirkt beruhigend auf Herz und Körper. Waldners Figuren zählen inzwischen vierzig Jahre. Keine Serienproduktion aus Maschinen. Jede einzelne von Hand geschnitzt, von einem Laaser Bauern, dem „Sattler Ander“. Als Vorbild dienten diesem die Figuren Josef Bachlechners, eines Tiroler Schnitzkünstlers. Dieser leitete Ende des 19. Jahrhunderts im Nordtiroler Hall gleich eine ganze Schnitzwerkstatt und war bekannt für seine weihnachtlichen Motive.

Bildergalerie Anklicken zum Vergrößern der Bilder. © Fotos: Amadeus Waldner

Das Krippenspiel hat eine lange Geschichte: 1223 inszenierte Franz von Assisi mit lebenden Personen die Geburt Jesu. Die populäre Tiroler Krippentradition lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. 1608 findet in der Innsbrucker Jesuitenkirche die erste Krippe ihren Platz. Erst später hält sie aber auch Einzug in private Gemäuer. Das Krippenverbot Kaiser Josefs II im Jahre 1782 verbannt die Krippen zwar aus den Kirchen, doch viele von ihnen überleben gut behütet in bäuerlichen Stuben. Dominieren anfänglich orientalische Krippen mit charakteristischen Elementen des Nahen Ostens, beginnt sich um 1900 die uns heute bekannte Tiroler Krippe mit bäuerlichen Szenarien durchzusetzen. Kennzeichnend: die hohe Kunstfertigkeit, ausdrucksstarke Holzfiguren und die Liebe zu detailreichen Landschaften.

Franz Waldner bindet sich die Schürze um den Bauch. Der strenge Geruch von Knochenleim zieht durchs Haus. Dieser wird verwendet, um die Mauern der Miniaturhäuser so realistisch wie möglich wirken zu lassen. Auf ineinander verkeilten Wurzelstöcken breitet er das Moos aus. Mit geriebener grüner und brauner Kreide setzt er zusätzliche farbliche Akzente. Hirschheideriche, eine immergrüne hochalpine Pflanzenart, bilden mit ihren feinen Blättern täuschend echte Miniaturbäume. Erst wenn die imposante Krippenlandschaft steht, sind die Figuren an der Reihe. Perspektivisch genau finden sie auf der Krippe ihren Platz. Die kleinsten hinten, in der Ferne, nicht einmal zwei Zentimeter hoch, die großen Figuren vorne. So entsteht ein noch größeres Raumgefühl.

Es ist kurz vor Heiligabend. Die ersten Besucher aus dem Dorf sind bereits da. Faszinierte Blicke. Lange wird geschaut, immer wieder was Neues entdeckt. Franz Waldner beantwortet Fragen, erklärt seine Arbeit. Wobei viele Gäste keine Erklärung brauchen. Ihnen reicht das Gefühl, das die Krippe auslöst.

Ruhe und kindliche Vorfreude.

Krippelezeit – Tiroler Krippentradition.

© Foto: Amadeus Waldner

Ihr Kinderlein kommet…
 
Die Tiroler Krippentradition ist eine lange. 1608 findet in der Innsbrucker Jesuitenkirche die erste Krippe ihren Platz. Vielerorts schmücken sie bis heute Kirchen und Stuben. Die Geschichte der Krippe ist auch in vielen Museen erlebbar. So rühmt sich das Bayerische Nationalmuseum in München mit der künstlerisch wertvollsten und in dieser Qualität umfangreichsten Krippensammlung der Welt.
 
Bayerisches Nationalmuseum, München: www.bayerisches-nationalmuseum.de
 
Hofburg Brixen, Brixen: www.hofburg.it
 
Tiroler Volkskunstmuseum, Innsbruck: www.freundeskreis-volkskunstmuseum.at