Sie stehen mit der Sonne auf und sind den ganzen Tag draußen, im Wald und auf dem Wasser. Der Jäger und der Fischer am Tegernsee müssen das. Und sie wollen es auch (ALPS Magazine #31 4/2016 Review)
Hoch über dem See dreht Michael Herrmann schon bei Sonnenaufgang seine Runde und sieht in seinem Jagdrevier am Wallberg nach dem Rechten. Er liebt die Morgenstimmung. „Später am Tag“, sagt der 36-Jährige, „gehört der Wallberg den Wanderern und den Aussichts-Genießern. In der Früh’ aber gehört er allein der Natur. Es ist still, man schaut hinunter ins Tegernseer Tal – und wundert sich, wie friedlich es um diese Zeit wirken kann.“ Herrmann ist ein früh Berufener. „Schon mein Großvater und mein Vater sind auf die Jagd gegangen. Sobald ich laufen konnte, war ich mit dabei und mit zehn, elf Jahren im Wald unterwegs, wann immer es ging. Ich habe immer alles aufgeschrieben, was mir aufgefallen ist. Bis heute bin ich gerne im Wald, und horche, rieche, beobachte…“
Wache Sinne gehören zum wichtigsten Rüstzeug eines Jägers: Er muss sein Revier und vor allem die Tiere und ihre Gewohnheiten gut kennen. „Am Wallberg gibt es eher wenig Rehwild, aber viele Gämsen und Hirsche. Letztere leben gerne zurückgezogen, und mögen es nicht, wenn ihnen Menschen zu nahe kommen. Der Gams dagegen ist eine coole Socke, der lässt sich, zum Beispiel von Wanderern, überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Gämsen leben in sehr extremem Gelände und wissen, dass sie in diesem Terrain jedem Gegner an Tempo und Behändigkeit überlegen sind. Hirsche sind behäbiger. Sie lieben sonnige Plätze mit Gras, Büschen und einer Wasserstelle; das ist ihr ,Schlafzimmer‘. Einen Hirsch, der gerade an einer solchen Stelle steht, würde ich niemals schießen.“
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Wallberg Wild
T. +49/(0)176/83 03 41 34
Mehr Informationen unter www.wallberg-wild.de
Fischerei Tegernsee
Seestraße 42, Tegernsee
T. +49/(0)80 22/15 61
Mehr Informationen unter www.fischerei-tegernsee.com
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»Da denke ich dann oft, auch wenn ich eigentlich etwas schießen hätte wollen: Ach was! Lass es sein. Ich will ihr Walten nicht stören«
Michael Herrmann
Wie gut, dass die stolzen Tiere trotzdem einen gewissen Aktionsradius haben und sich aus ihrer „Wohnung“ bisweilen hinausbegeben. Denn Herrmann hat eine Firma aufgebaut, die das von ihm geschossene Wild küchenfertig vermarktet und auch an ausgewählte Gastronomiebetriebe in der Region liefert: Wallberg Wild. „Wer Wild direkt beim Jäger kauft“, erklärt er, „bekommt es meist ,in der Decke‘, das heißt, es ist noch unzerlegt und im Fell. Damit kann ein Laie wenig anfangen – einer der Gründe, warum viele eine gewisse Scheu haben, Wild zu kaufen und zuzubereiten.“ Dabei, schwärmt Herrmann, sei das Fleisch in der Küche sehr unkompliziert, habe hohe Qualität, sehr feine Aromen, „und es ist ,natürliches Bio‘. Denn die Tiere fressen ja nichts anderes, als das, was sie im Wald finden.“
Enorme Qualität kann auch Christoph von Preysing garantieren: Die Renken, Saiblinge und Forellen, die er gleich hinter dem Kloster in einem langgezogenen Bau aus der Biedermeierzeit verkauft, stammen alle aus dem See, oder der Fischzucht drüben am anderen Ufer, an der Wiesseer Söllbachmündung. Und hier wie da ist das Wasser so sauber wie Trinkwasser.
Wenn er morgens zwischen sechs und sieben den Außenborder seines Boots anwirft, haben der Chef der Fischerei Tegernsee und sein Team schon ein strammes Programm hinter sich: Holz hacken, den Räucherofen neben dem Bootshaus anheizen, im Laden die ersten Vorbereitungen für den Verkauf treffen, drüben in Bad Wiessee die Fische in den Zuchtbecken füttern… Bricht sich dann später die Sonne für einen strahlenden Herbsttag ihre Bahn durch den Nebel, entschädigt die grandiose Bergkulisse fürs unchristlich frühe Aufstehen. Zumindest ein bisschen. Und längst nicht jeden Tag. „Wir sind“, so von Preysing, „genauso bei null Grad und Schneeregen draußen“. Der Liebe zu seinem Beruf tut dies keinen Abbruch. „Seit ich fünf Jahre alt bin, wollte ich Fischer werden“, erinnert sich der 32-Jährige. Mit 15 begann er seine Lehre in einer Fischzucht bei Freising. Mit 18 pachtete er die Tegernseer Fischerei. Und die Begeisterung für das, was er tut, wächst immer noch.
[four_columns_drei]2500
Euro kann einen Trachtler ein schmucker Gamsbart für seinen Hut kosten. Dann besteht er aber auch aus etwa 450 Büscheln à rund 300 Haare vom Aalstreif erwachsener Böcke. Begründet hat die Mode Gamsjäger Erzherzog Johann von Österreich. In Bayern machte sie Prinzregent Luitpold populär[/four_columns_drei]
»Als ich die Fischerei Tegernsee übernommen habe, waren die Seeforellen nahezu ausgestorben. Inzwischen sind es wieder 150000«
Christoph von Preysing
Doch dass die Tegernseer Fischerei boomt, seit von Preysing sie vor 15 Jahren übernommen hat, liegt nicht nur an der Qualität seiner Ware. Dem smarten Fischprofi, der vor zwei Jahren auch die Bad Wiesseer Fischerei mit dem Süßwasseraquarium „Aquadome“ und dem angrenzenden Bistro übernahm, gelingt es, alle Faktoren zu vereinen, die den Tegernsee zu so einem besonderen Ort machen: die berauschend schöne Landschaft, die hohe Qualität der Nahrungsmittel, die diese Landschaft hervorbringt, die Ausflugsziel-Nähe zu München – und den nicht zu unterschätzenden Promi-Faktor, den der von spitzen Zungen Lago di Bonzo genannte See aufweist.
Von Preysings Vorbild hat aber auch für den wenig glamourös wirkenden Beruf des Fischereiwirts einen positiven Nebeneffekt: Er verhalf ihm zu einem so kernig-naturverbunden Image, dass der Beruf plötzlich für junge Männer wieder sehr attraktiv wirkt. Mittlerweile hat er vier weitere Fischer um sich geschart, alle fesch, alle zwischen Anfang 20 und Mitte 30. Von den insgesamt 25 Auszubildenden, die die bayernweite Berufsschule für Fischerei in Starnberg besuchen, stellt allein die Fischerei Tegernsee vier.
Aber nicht alle halten durch. „Wir haben 13-, 14-Stunden-Tage, und das an 350 Tagen im Jahr. Da bleibt keine Freizeit“, weiß Christoph von Preysing. Umso eingeschworener ist die „Gang“, die sich mit Haut und Haaren dieser harten Arbeit verschrieben hat. Das merkt jeder, der die Fischer miteinander beobachtet. Und dass ständiger Körpereinsatz einem stattlichen Erscheinungsbild nicht eben abträglich ist, kann man bei seinem Team ebenfalls kaum übersehen.
Auf Ausgleichssport kann auch Jäger Michael Herrmann gut verzichten: „Gerade der untere Bereich meines Reviers ist extrem steil, und dieser Aufstieg durch keinen Weg zu umgehen – da habe ich reichlich Training“, lacht Herrmann. Zumal auch er bei schlechtem Wetter nicht einfach kneifen kann: Herrmann trägt schließlich die Verantwortung für den Wildbestand in seinem Revier. Das heißt: Seine Arbeit hört mit Ende der Jagdsaison zu Weihnachten keineswegs auf – im Gegenteil. Dann muss er dafür sorgen, dass die Tiere gut durch den Winter kommen. Die Gämsen schaffen das alleine, weil sie ihren Stoffwechsel während der kalten Monate stark drosseln können. Die Hirsche aber müssen, gerade in strengen Wintern, mit Heu, Silage und Apfeltrester gefüttert, außerdem gezählt und mit Salz versorgt werden.
Auch bei den Fischern genügt es nicht, im See die Netze auszuwerfen. Sie müssen auch für den Fischnachwuchs sorgen, und zwar buchstäblich eigenhändig: Im Herbst, zur Laichzeit nach Ende der Fangsaison, werden die Weibchen aus dem See gefischt, und deren Eier „abgemolken“. Danach kehren sie in den See zurück; die Fischeier werden unter den geschützten Bedingungen des Wiesseer Bruthauses herangezogen und im Folgejahr im See ausgesetzt. Das erhöht die Überlebenschancen des Nachwuchses enorm. Um die Dimensionen dieser Aktion zu verdeutlichen: Es sind allein 1,5 Millionen Renken, die jedes Jahr aus dem Bruthaus in den See wandern. Damit stellen die Fischer nicht nur sicher, dass sie auch in Zukunft volle Netze haben werden. Sie erhalten auch die Fischbestände im See. „Als ich die Fischerei Tegernsee übernommen habe, waren die Seeforellen hier nahezu ausgestorben“, berichtet Christoph von Preysing. „Inzwischen sind es wieder 150 000.“
Über Tiernachwuchs, allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß, freut sich auch Michael Herrmann, und zwar nicht nur, weil er ihm für die nächsten Jahre den Fortbestand seiner Firma sichert. „Gämsen haben die Angewohnheit, dass sie sämtliche Jungen bei einem Muttertier zurücklassen, das dann auf diesen ,Gämsenkindergarten‘ aufpasst. Wenn man morgens auf den Berg kommt und sieht, wie die kleinen Gämsen in der Sonne herumtollen, ist das ein so fröhliches, friedliches Bild, dass man stundenlang zuschauen könnte. Da denke ich dann oft, auch wenn ich eigentlich etwas schießen hätte wollen: Ach was! Lass es sein. Dann bin ich so sehr Teil dieser Natur, dass ich ihr Walten nicht stören will.“
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