Die Allgäuer Familie Schneider baut in ihrer Schmiede in Kleinstserien alte traditionelle Hoflampen nach. Eine ehrliche Arbeit, die die Familie zusammengeschweißt hat. Ein Werkstattbesuch
Es geht auch sanft. Es muss gehen. Wenn Max Schneider einen Schnörkel schmiedet, schwingt er den Hammer wie ein Künstler. Mit der linken Hand hält er das Werkstück am kalten Ende. Mit der Rechten schlägt er zu. Immer wieder, konzentriert und treffsicher. Wie Knetmasse biegt sich der glühende Rundstahl unter den zarten Schlägen. Bekommt die perfekte Rundung. Würde der junge Schmied so draufhauen, wie man es von ihm erwartet, wäre im Nu ein Knick im Stahl.
Aber der Metallbauer hat genug Gelegenheiten, Dampf abzulassen. Etwa, wenn es um das Biegen der Rohre geht: 22 Millimeter Durchmesser, Wandstärke drei Millimeter. Da braucht es „kehrig“ (allgäuerisch für ‚gehörig’) Kraft im Arm. „Jeden Tag wollte ich das aber nicht machen“, sagt der Blondschopf. Und wischt sich den Schweiß von der Stirn: Heizen muss man hier nicht.
Mit der Schmiede in Görisried haben Max Schneider, 21, und sein Vater Stefan, 49, ein altes Handwerk wieder zum Leben erweckt. Wenn man von dem einen oder anderen Schloss oder Beschlag absieht, fertigen sie nur ein Produkt: die historische Hoflampe.
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der Familie Schneider befindet sich in 87657 Görisried (zwischen Kempten und Marktoberdorf), Schmiedestraße 16, www.allgaeuer-hoflicht.de
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„Ich wollte für unser altes Haus eine Außenleuchte. Wie man sie früher überall an den Häusern hatte.“
Stefan Schneider
Angefangen hatte es mit einem Mangel. Wie so oft. Vater Stefan, im Hauptberuf Elektromeister: „Ich wollte für unser altes Haus eine Außenleuchte. Wie man sie früher überall an den Häusern hatte.“ Aber er trieb keine auf. Nicht für kleines Geld. Auch nicht für großes. Als echter Allgäuer ein fleißiger „Schaffer“ und die Ärmel seines Karohemds immer oben, beschloss er: Bau ich selber. Wozu war man Handwerker? Doch so simpel wie die Leuchten wirken, so aufwändig erwies sich der Weg dorthin. So setzte er auch mal fast 5000 Euro in den Wind: für Reflektoren, die sich nicht emaillieren ließen.
Die traditionellen Hoflampen haben ihren Ursprung in der Elektrifizierung. Um 1900 warben die ersten Kraftwerke – in Bayern meist Wasserkraftwerke – mit „Endgeräten“ um Kunden wie die Netzbetreiber in den 1990-ern. Mit Stromgeräten, die für künftige Kunden attraktiv waren. Mangels Maschinen waren das elektrische Leuchten, um Stube und Hof zu erhellen. Die ersten Hoflampen gaben die Unternehmen bei kleinen Dorfschmieden in Auftrag. Diese bauten die Leuchten in Handarbeit nach ihren Vorstellungen: mit runden und eckigen Bögen, mit Schnörkeln und Eichblattausläufern. Jedes ein Einzelstück. Immer dran: Der geschraubte Glaskolben. Er schützte die wertvolle Glühlampe vor der Witterung. Bald verfügte jeder Bauernhof in der Alpenregion mindestens über eine Leuchte.
Im Laufe der Zeit stellte man sie industriell her, mit Gussteilen statt Schmiedeeisen, und inspiriert vom Art Deco. Die Urmodelle jedoch blieben Kleinode der Handwerkskunst. Originalstücke sind heute selten – doch der Familienbetrieb Schneider sorgt als einer der wenigen für Nachschub. Stefan Schneider hat viele Abende auf der Straße verbracht: alte Lampen im Allgäu gesucht, vermessen und fotografiert.
Wer die Familie in Görisried – in der Schmiedestraße – besucht, für den sieht alles nach viel Tradition aus. Ein Haus mit Patina, aus dem das Klanggewitter der Hammerschläge tönt. Backsteinmauern, ein vergrauter Brettermantel, alte Sprossenfenster. Klar, die alte Schmiede, die der Straße den Namen gab!
Irrtum. Neue Schmiede. In Wahrheit war das jetzige Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert die Werkstatt. Die heutige Schmiede baute die Familie in den vergangenen Jahren neu. Mit viel Liebe zum Detail – und teurem Geld – wurden Originalstücke gesammelt und verbaut.
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Viele Kunden kommen vorbei, denn so eine Lampe ist nicht etwas, was man „mal so schnell“ kauft.
Susanne Schneider
D raußen: verwitterte grüne Fensterläden, ein wettergegerbtes Tor. Drinnen: Stromleitungen auf Putz, eine uralte Werkbank, ein riesiger Amboss. Im Eck vorne das Herz der Schmiede: eine von Arbeit gezeichnete Esse, so schwer wie schwarz. Unter dem gewaltigen Rauchfang schwelt das Feuer und verströmt den typischen Geruch aus Eisen und Holzkohle.
Stefan Schneider schaltet das Gebläse an. Unter sonorem Brummen fängt die Glut in der Esse leise fauchend an zu wachsen. Hellrot bis orange. Mit stiebenden Funken kündigt sich die Hitze an. Rund tausend Grad Celsius hat sie nun: perfekt. Schneider Junior trägt seinen Lederschurz nicht umsonst. Am Boden steht ein Wassereimer. Für alle Fälle.
Das lange Eisenrohr, das Max in die Esse hält, glüht nun. Der richtige Moment ist jetzt, nicht länger warten! „Sonst verbrennt es“, erklärt Max.
Während der Sohn das glühende Eisen in eine Form auf dem Amboss hält und oben die Gegenstück – beides nennt man „Gesenk“ – hält, schlägt der Vater mit dem großen Hammer drauf. Einmal, zweimal, und wieder. Schwere, klirrende Schläge. Das Eisen verformt sich – und bekommt die gewünschte Rundung.
„Ich hab’s Handwerk gelernt, aber er ist halt mein Chef“, sagt Max grinsend. Fünf Minuten später der Vater: „Ich bin ja nur der Knecht hier, aber ab und zu darf ich maulen.“ Einerseits: Das Feixen ist das Spiel zwischen den beiden. Andererseits: Vater Stefan hat die Schmiede aufgebaut, Sohn Max macht derzeit seinen Meister als Metallbauer. Wird sie übernehmen. In dem Running Gag steckt ein Körnchen Wahrheit, die alte Rivalität zwischen Vater und Sohn. In diesem Fall: eine sehr freundschaftliche.
Aber es bedarf auch weiblicher Hände. Mutter Susanne, 52, ist für die „weichen“ Bereiche des Familienunternehmens zuständig. Verpacken, verschicken, mit Kunden kommunizieren. Auch die Tochter hilft beim Schleifen, Polieren und Lackieren. Susanne hat für das Hoflampenprojekt sogar ihr Kosmetikgeschäft aufgegeben: „Hier wird meine Hilfe mehr gebraucht. Und ich mag das mit den Kunden“, sagt sie. Auf dem Hof hat sie einen winzigen Laden eingerichtet, in dem man die Modelle begutachten kann. Viele Kunden kommen vorbei, denn so eine Lampe ist nicht etwas, was man „mal so schnell“ kauft.
Denn es steckt viel Zeit in dem Produkt. Rohre ablängen, biegen, Wandhalter anschweißen. Gewinde vorbereiten, Schnörkel mit Schweißring befestigen, verschleifen. Millimetergenau muss alles sein, dafür haben sich die Schneider-Männer Lehrwerkzeuge gebaut. Später werden die Lampen außer Haus verzinkt, erneut geschliffen, lackiert, gebürstet. Oder mit Entkalker behandelt plus drei Tage im Regen: damit sich Flugrost bildet. „Manche Kunden wollen das so“, sagt Stefan. Erst, wenn das alles gemacht ist, kommt der Strom. Im Obergeschoß der Werkstatt. Hier hängen Lampengestelle wie erlegte Rebhühner über einer Querstange, eines neben dem anderen. Vater Stefan verkabelt fachmännisch die Lampen. Mit wasserdichtem Silikonkabel, einer Edelfassung aus Keramik und nach CE-Norm. Moderne Technik bitte, wenn es um Sicherheit geht. Wenn dann Reflektor und Glaskolben mit Dichtung montiert sind, werden die Lampen noch einmal auf Herz und Nieren geprüft.
Ab 350 Euro ist man dabei. Und kann seine Terrasse oder seinen Eingangsbereich stilecht beleuchten. Wenn man den Arbeitsaufwand sieht: eigentlich nicht teuer. Bislang trägt Stefans Hauptjob das Leuchtenprojekt mit. „Ist eher unser Adoptivkind“, sagt er. Und lacht schallend. Vielleicht kriegt Junior Max das später hin, damit es langt. Aber angesichts der Freude, mit der diese Familie zusammen werkelt, ist das vielleicht gar nicht so wichtig.
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