„Es guets Neus“! Was es mit dem Brauchtum der Silvesterchläuse im Appenzellerland auf sich hat
In den frühen Morgenstunden geht es noch in der Dunkelheit los; leise hört man von überall die Schuppel-Gruppen, wie sie ein „Zäuerli“ machen. Mit diesen Begriffen können wohl die wenigstens etwas anfangen. Es sei denn, man stammt wie ich aus dem Schweizer Kanton Appenzell-Ausserrhoden. Der Brauch der Silvesterchläuse, wie die Schuppel heißen, hat seinen Ursprung im Spätmittelalter, welcher wohl von Klosterschülern in Nordfrankreich initiiert wurde. Im 15. Jahrhundert soll das adventliche Treiben immer wilder geworden sein, was der Kirche nicht passte. Möglicherweise wurde das Chlausen deshalb von der Adventszeit auf Silvester verlegt. Die Chläuse unterteilt man in drei Kategorien: die „Schöne“, die „Schön-Wüeschte“, welche sogar erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterwegs sind, sowie die „Wüeschte“. Letztere sind auch als Naturchläuse bekannt. Die Schönen tragen kunstvoll gestaltete Kopfbedeckungen mit Szenen aus dem bäuerlichen Leben. Vom frühen Morgen an sind die Silversterchläuse unterwegs, ziehen in acht Gemeinden von Haus zu Haus und wünschen allen mit andächtigem Gesang und lüpfigen Zäuerli, dem mehrstimmigen, textlosen Jodeln, „es guets Neus“. Dazu lassen sie kleine wie große Glocken erklingen. Sie sind am 31. Dezember und 13. Januar mit Unterbrechung von früh morgens bis mitternachts unterwegs. Wenn es dämmert, im Hintergrund die Berge oder der ganze Alpstein zu sehen ist, dazu die Stille und die Zäuerli der Schuppel, werde ich ehrfürchtig. Das ist etwas Unbeschreibliches. An den aufwendig gefertigten Trachten und Hauben merkt man, wie wichtig in der Region dieser Brauch ist. Der stetige Zuwachs von Kinder- sowie Jungend-Schuppel bricht mit altmodischen Klischees und lässt auf ein langes Fortbestehen hoffen.
Marco Graf, @_groefli_