Am 14. Juni 1920 trafen sich im Münchner Hofbräuhaus gleichgesinnte Vertreter von Alpenvereinssektionen und Wandervereinen zur Gründung einer „Natur- und Sittenwacht“. Die Bergwacht startet mit der Aufgabe „zur Bewahrung der guten Sitten und dem Schutz fremden Eigentums im Kontext des Bergsteigens und des alpinen Skilaufs“. Das Thema Bergrettung gewinnt kurze Zeit nach der Gründung bereits zunehmend an Bedeutung und steht heute an erster Stelle
Der Dienst und die Leistung der Bergretterinnen und Bergretter in der Bergwacht Bayern werden täglich sichtbar. Mittlerweile sind es jährlich durchschnittlich über 8500 Einsätze, -Tendenz steigend-, bei denen die ehrenamtlichen Einsatzkräfte Menschen in Not in den Bayerischen Alpen und Mittelgebirgen zu Hilfe kommen. „Trotz vieler Entwicklungen in den vergangenen 100 Jahren im Bereich der Ausrüstung, der Rettungstechnik, der Fahrzeuge und in der Luftrettung, sind es letztendlich die freiwilligen engagierten Frauen und Männer in der Bergwacht, die mit professionellem Wissen und Können Rettung und Hilfe ermöglichen“, stellt Otto Möslang, Vorsitzender der Bergwacht Bayern fest.
Hundert Jahre Bergwacht Bayern: Zu diesem Jubiläum präsentiert der Bayerische Rundfunk jetzt das neue, spannende Digitalprojekt „Die Rettung“ – eine emotionale Reise zwischen Höhenrausch und Abgrund: Ab 12. Juni können Interessierte auf der Website dieret-tung.br.de in einem virtuellen alpinen Unfallszenario in die Rolle des Verletzten schlüpfen und erleben, wie es sich anfühlt, von der Bergwacht per Hubschrauber gerettet zu werden.
ONLINE dierettung.br.de
Die Geschichte der Bergwacht
Als am 14. Juni 1920 im Hofbräuhaus in München die Gründungsurkunde unterschrieben wurde, war die rasante Entwicklung von einer Natur- und Sittenwacht zu einer weit über die bayerischen Grenzen anerkannten und zukunftsorientierten Bergrettungsorganisation wohl nicht absehbar. Nicht zuletzt, weil zunächst der Erhalt der Landschaft und Alpenflora im Vordergrund standen. Denn schon damals nahm mit Zunahme des alpinen Tourismus auch die Belastung für die Natur und Umwelt immer größere Ausmaße an. Die Gründung der Bergwacht als Naturschutzwacht geht auf eine Initiative von Alpenvereinssektionen zurück, die zu dieser Zeit einen wahren Bergboom erlebten.
Der Weg zu einer Bergrettungsorganisation wurde schon 1898 mit der Gründung des „Alpinen Rettungsausschuss München“ geebnet. Er gilt als Startpunkt der organisierten Bergrettung in den bayerischen Alpen. 1899 entstanden erste Rettungsstationen in Füssen, Garmisch, Weilheim, Mittenwald, Fall, Bad Tölz und Miesbach. 1904 wurden unter dem Dach des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins formale Alpine Rettungsstellen vom Allgäu bis nach Berchtesgaden gebildet. Nach der Gründung der Bergwacht 1920 übernahmen diese auch schon bald sanitäts- und rettungsdienstliche Aufgaben bei ihren Streifgängen durch das Gebirge. In den Folgejahren wurden die alpinen Rettungsstellen und die Bergwacht zu einer Institution zusammengeführt. Parallel zu diesen beiden Hilfeeinrichtungen gründete sich innerhalb des Roten Kreuzes der Gebirgsunfalldienst (GUD). Im Schwerpunkt waren die „Spezialisten“ der Sanitätskolonnen in Gegenden aktiv, in denen sich der Skisport entwickelte, unter anderem in den Gebieten Schliersee und Garmisch-Partenkirchen. Nach wiederholten Konflikten bezüglich der Zuständigkeit stellte der GUD seine formalen Dienste Ende der 1930er Jahre ein.
1945 wurde der Deutsche Alpenverein als nationalsozialistische Organisation verboten. Die Bergwacht mit ihrer Aufgabe als Rettungsdienst für das Gebirge fand kurzerhand ein neues Zuhause im Bayerischen Roten Kreuz als Sonderformation. Die organisatorische Entwicklung und insbesondere die Entwicklung der Versorgungs- und Rettungstechniken sind eng verbunden mit dem Namen Wiggerl Gramminger. Ende der 1940er und in den 1950er Jahren entstanden Einsatzgeräte, die in modifizierter und weiterentwickelter Form heute noch im Einsatz sind. Die Gründung der Lawinenhunde-staffeln fällt in das Jahr 1952 und ein Jahr später erfolgte die Einführung von tragbaren Funkgeräten. 1959 richtete die Bundeswehr ihren SAR (Search and Rescue) Dienst ein. 1966 wurden die ersten Rettungsspringer im Allgäu ausgebildet, die später zu den Luftrettern werden. Die neu installierte Naturschutzwacht der Landratsämter nimmt 1976 ihren Dienst auf. Insbesondere in den Isarauen engagiert sich die Bergwacht in dieser Aufgabe.
1978 startet die Skiwacht als gemeinsame Einrichtung des Deutschen Skiverbandes / Stiftung Sicherheit im Skisport und der Bergwacht im Rahmen der Pistenrettung in Skigebieten. 1999 beginnt sich die Bergwacht in der Krisenintervention zu engagieren. 2001 wurde der damalige Landtagspräsident Alois Glück Vorsitzender der Bergwacht Bayern. 2002 erhielt die Bergwacht ihr heutiges Logo und die Höhlenrettung wird Teil der Aufgabe der Bergwacht. Seit 2005 absolvieren die Spezialisten der Canyonrettung ihre Ausbildung. 2002 wird 2008 wird auch das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz eröffnet. In dem weltweit einzigartigen Simulationszentrum und die trainieren neben der Berg-wacht weitere internationale Rettungsorganisationen standardisiert und wirklichkeitsgetreu die unterschiedlichsten Rettungsszenarien aus den Bereichen Luft, Wasser und Höhle. 2010 beginnt der Einsatz von Drohnen in der Bergrettung unter der Überschrift Lokalisation, Kommunikation, Lagedarstellung, Dokumentation (LKLD-Team) Beim Jahrhundert-Hochwasser von 2013 in Bayern zeigte die Bergwacht ihre Einsatzkraft im Rahmen des Katastrophenschutzes. 2014 fand der wohl größte und längste Einsatz in der Riesendinghöhle statt. Der G7 Gipfel 2015 in Schloss Elmau forderte die Bergwacht auf besondere Weise: 240 Bergwachtfrauen und –männer standen an 12 Tagen 24 Stunden ununterbrochen in Einsatzbereitschaft. 2016 wird das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung der zentrale Ausbildungsort aller bayerischen Blaulichtorganisationen für den Einsatz am Hubschrauber. Ein neuer Rekord mit über 8.500 Einsätzen wird im Jahr 2018 erreicht. 2020 feiert die Bergwacht Bayern ihr 100jähriges Bestehen.
Ausblick
Die Bergwacht Bayern blickt als Rettungsdienst auf eine über 100jährige Geschichte zurück. Sie leitet aus dieser langen Tradition die Pflicht ab, durch vorausschauendes Denken, Planen und Handeln ihre Zukunft nachhaltig vorzubereiten. Deshalb will die Bergwacht Bayern gemeinsam mit ihrer Stiftung weiter innovativ Weichen stellen – durch Forschung und Entwicklung, Organisationsstrukturen, Wissensvermittlung, technische Standards, Vernetzung sowie professionelle Schulungs- und Trainingsräume. Nicht zuletzt will sie durch das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung und dem geplanten zusätzlichen Gebäude international fachliche Anstöße im Rettungswesen ermöglichen. Und wozu? Letztendlich damit ehrenamtliche Einsatzkräfte beste Bedingungen für ihre Sicherheit und Ausbildung erhalten. Damit Rettungsorganisationen voneinander lernen, zusammen trainieren und im Notfall reibungslos kooperieren. Damit die Bergwacht attraktiv bleibt im Sinne von Nachwuchsförderung. Vor allem aber, um Menschen in Bergnot in den Mittelgebirgen oder in den bayerischen Alpen trotz steigender Einsatzzahlen zu retten.
Kernaufgaben
- Berg- und Höhlenrettung im alpinen und unwegsamen Gelände in Bayern Bayerisches Rettungsdienstgesetz, Art. 17
- Katastrophenhilfe Bayerisches Katastrophenschutzgesetz, Art. 7
- Mitwirkung im Natur- und Umweltschutz Ordnung der Bergwacht
Finanzierung
Förderung des Freistaat Bayern, Erstattungen durch Krankenkassen, Spenden
Einsatzahlen
2019 – 8976 | 2018 – 8639 |2017 – 8178 | … | 2009 – 7219
Zahlen
Mitglieder gesamt: 5.250
Einsatzkräfte: 3500
Anwärter (in Ausbildung): 950
Inaktiv: 550
Jugendmitglieder: 250
Verhältnis
Männer/Frauen – 86 % / 14%
Einsatzkräfte mit Zusatzqualifikation
Einsatz am Hubschrauber: 2600
bestellte Einsatzleiter: 660
Lawinensuchhundeteams: 41
Suchhundeteams: 6
Spezialist Canyonrettung: 97
Spezialist Höhlenrettung: 80
Fachkraft PSNV / Betroffene: 90
Fachkraft PSNV / Einsatzkräfte: 20
(PSNV=Psychologische Notfallversorgung)
Bergwacht Notarzt: 90
Bergwacht Rettungssanitäter: 290
(inkl. Notfallsanitäter / Rett. Ass.)
Strukturen
Regionen: 7
Bergwacht Bereitschaften: 111
Bergwacht Rettungswachen: 93
Höhenrettungsteams: 8
Bergwacht Rettungsstützpunkte: 300
Rettungs-,Mannschaftsfahrzeuge: 304
Schneefahrzeuge: 120
Weitere Aufgaben
- Standortmanagement im Digitalfunk / Bad Tölz
- Katastrophenhilfe Bayerisches Katastrophenschutzgesetz, Art. 7
- Zentrum für Sicherheit und Ausbildung / Stiftung Bergwacht
Stand: 20. Feb. 2020
Bergwacht Bayern
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