Ana Zirner ist eigentlich immer unterwegs. Doch die Pandemie zwingt selbst eine leidenschaftliche Bergsteigerin daheim zu bleiben. Im ALPS-Interview erzählt die Autorin von „Alpensolo“ und „Rivertime“ wie Corona ihren Lebensstil beeinflusst, wie Reisen im Kopf funktioniert und warum ihr nächstes Buch nichts mit Outdoor zu tun hat
Wir haben Dezember 2020, Lockdown. Wie geht’s dir damit?
Am Anfang habe ich es genossen. Diese Vereinfachung tat gut. Inzwischen merke ich aber, dass einmal im Jahr monatelang alleine unterwegs zu sein, zu einem sehr wichtigen Aspekt in meinem Leben geworden ist. Das nimmt den Narzissmus weg. Diese Art von Erdung fehlt mir. Ich hoffe sehr, dass wir uns alle zusammenreißen, um Corona in den Griff zu kriegen und im Sommer wieder unterwegs sein zu können.
Wie kompensierst du den Reiseentzug?
Einerseits arbeite ich gerade an meinem nächsten Buch, das zum ersten Mal nichts mit Outdoor und Bergen zu tun hat, ich beschreibe das Leben meiner Großmutter. Das ist auch ein großes Abenteuer für mich. Andererseits achte ich trotz Corona darauf, viel Bewegung zu bekommen. Ich habe mich ein paar Wochen ganz aufs Schreiben konzentriert und dann gemerkt, dass das mir nicht guttut. Jetzt habe ich wieder angefangen, mehr zu trainieren. Ich finde das extrem wichtig für meine mentale Gesundheit.
Ein Buch über deine Großmutter – Worum geht es genau?
Das Besondere daran ist, dass ich es gemeinsam mit meinem Vater August schreibe, der auch von seiner Großmutter erzählt. Es kommen also vier Generationen vor. Es geht jeweils um die Großmutter väterlicherseits, wir schreiben also beide über die Mutter unseres Vaters. Meine Familie besteht seit jeher aus Musikern und Schauspielern – sie ist eben stark kulturell geprägt. Ich habe immer mit Kultur zu tun gehabt und vor dem Wechsel ins Autorinnenleben war ich beruflich Film- und Theaterregisseurin. Wenn wir nicht weiter erfolgreich prokrastinieren, wird das Buch im Herbst 2021 bei Piper erscheinen.
Die Situation an den Theatern ist gerade katastrophal. Bist du froh, dass dir das erspart bleibt?
Ja! Ich könnte stundenlang darüber reden, weil es mich sehr ärgert, was gerade mit der Kultur passiert. Ich habe im November Coronahilfe beantragt, weil mir die Einnahmen aus Lesungen komplett weggebrochen sind. Ich finde es krass, wie viele Menschen aus meinem Umfeld bei diesen Maßnahmen aber komplett durchs Raster fallen, Musiker beispielsweise. Die haben zuvor schon wenig verdient und jetzt gar nichts mehr.
Über eine deiner spektakulärsten Touren hast du im Oktober ein Buch veröffentlicht. Ist „Rivertime“ durch Corona zum Sehnsuchtsbuch geworden?
Sich wegzuträumen funktioniert jetzt noch besser. Dieses Feedback bekomme ich gerade häufig: Menschen schreiben mir „Woah, ich habe mich gefühlt, als wäre ich selbst unterwegs gewesen“. Das ist das schönste Kompliment für mich.
Welche drei Dinge dürfen bei keiner deiner Touren fehlen?
Unter freiem Himmel schlafen. Gutes Essen – auch gefriergetrocknet. Und Berge natürlich.
Wenn Wandern wieder erlaubt ist: Was ist dein Tipp für Deutschland?
Oberaudorf im Inntal, wo ich wohne, ist absolut eine Reise wert. Man kann dort schöne lange Bergspaziergänge machen. Die sind eher kleine Wanderungen, bei denen man aber auch schon eine Art Weitsicht bekommt. Das tut gerade in Zeiten der Einschränkung gut: Sich mit Details beschäftigen, wie ein Stück Eis an einem zugefrorenen See aufheben. Sich auf kleine Dinge konzentrieren, die in der Natur vorhanden sind – und sich dessen bewusstwerden, was für kleine Wunder das sind.
Interview: Marius Holfert, Lena Morawek und Alina Seysen
Ana Zirner, Jahrgang 1983, ist freiberufliche Autorin und Bergwanderführerin, die insbesondere durch ihre langen Solotouren in den Bergen und zuletzt auch auf dem Colorado River von sich reden machte. Aufgewachsen im Bayerischen Voralpenland zieht es sie auch während ihrer langjährigen Tätigkeit als Regisseurin und Kulturmanagerin immer wieder in die Berge. Ana Zirner hält zahlreiche Vorträge zu ihren Reisen und dem nachhaltigen Leben unterwegs und engagiert sich für Klimaschutz. Im Malik Verlag erschienen die Bücher Alpensolo und Rivertime. Derzeit lebt sie in Oberaudorf am Wilden Kaiser.
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