Das Vorkarwendel besticht mit seiner Einsamkeit, Wildheit und Abgeschiedenheit
Die Skier sind eingemottet, der Winter weicht langsam frühlingshaften Temperaturen und südseitig sind die Hänge schon grün. Wer bekommt da keine Lust auf die ersten Frühlingswanderungen? Man darf sich allerdings nicht von dem sommerlichen Eindruck täuschen lassen! Es hat dieses Jahr noch spät reingeschneit und damit bleibt der Schnee vor allem im oberen Bereich hartnäckig liegen. Daher hoffen wir durch die sonnenseitig exponierte Lage der Fleischbank (2026 m) die richtige Wahl getroffen zu haben …
Kurz nach dem Mauthäuschen im Risstal befindet sich unser Parkplatz. Zu dieser Zeit ist die Mautstraße noch gesperrt und daher müssen wir eine kurze Strecke zu Fuß auf der asphaltierten Straße zurücklegen, ehe der Weg links auf die Wiese und einen kleinen Pfad abzweigt. Kurz danach kommt ein Bach, den wir über Steine balancierend überqueren. In sanfter Steilheit geht es nun südseitig in Kehren weiter hinauf durch lichten Nadelwald.
Meine Freundin Finja, die mich heute begleitet, ist die Sommerfrischlerin schlechthin. Mit kurzer Hose und Tanktop trotzt sie den morgendlichen Temperaturen im kühlen Tal! Ich bin froh um meine lange Hose, schließlich war noch vor Kurzem die Wintersaison im vollen Gange. Da muss man sich erst wieder langsam auf die Plusgrade umstellen …
Dem Weg weiter folgend werden die Lücken in den Bäumen mit zunehmender Höhe immer größer und die Luft immer wärmer. Ab und an erhaschen wir schon jetzt wunderbare Weitblicke in das herrlich wilde Karwendelgebirge! Wer schon einmal in Kanada war, wird sich spätestens hier daran erinnert fühlen! Weit und breit sehen wir keine bewirtschafteten Hütten, keine nennenswerten Ortschaften oder Supermärkte. Die Täler hier sind alle lang, einsam und ursprünglich. Flüsse und Wasserfälle gibt es hier zu Genüge und Bäche schlängeln sich durch Karstlandschaften und schier endlose Wälder. Alles naturbelassen, noch ohne nennenswerte Eingriffe des Menschen. Hotelburgen sucht man hier zum Glück vergeblich.
Fairerweise muss man allerdings dazu sagen, dass der Ahornboden am Ende des Risstales durchaus regen Besuch von vielen Touristengruppen erhält. An schönen Sommertagen strömen oft scharenweise die Ausflügler in das fotogene Tal, um die uralten Ahornbäume zu sehen und sich ein bisschen die Füße zu vertreten. Wer jedoch Bescheid weiß, kann dem dortigen Rambazamba leicht entgehen, indem man die gängigen Touren meidet und auf etwas unbekanntere Gipfel ausweicht; wie dem heutigen Ziel – die Fleischbank.
Die Länge der Tour und die fehlende Einkehrmöglichkeit hindert so manchen Wanderer daran, diesen tollen Aussichtsberg zu besteigen. Außerdem spielt die Jahreszeit auch eine Rolle. In der jetzigen Übergangszeit sind im Karwendel entweder immer noch Skitourengeher unterwegs, welche die Mühen eines langen Aufstieges mit Skiern am Rücken nicht scheuen, oder wenige Bergsteiger, die durch den vorhandenen Schnee etwas mehr alpinen Flair erleben möchten. Daher ist es momentan schön ruhig und bis jetzt sind wir tatsächlich noch keiner Menschenseele begegnet!
Auf der Hälfte des Anstieges kommen wir an einer urigen kleinen Alm vorbei, der Steilegg-Jagdhütte auf 1520 m, die zum Rasten und Genießen der Aussicht einlädt. Von hier erscheinen die schneebedeckten steilen Berge des Karwendels hoch und unbezwingbar. Das hat der Schnee wohl so an sich, dass einem alles immer etwa gewaltiger erscheint. Beeindruckt von der weißen Kulisse machen wir noch ein paar Fotos und folgen dem kleinen Wanderweg weiter hinauf Richtung Fleischbank-Gipfel.
So sehr wir auch gehofft haben, dass uns der Winter nicht vollends einholt, er tut es dann doch noch! Immer mehr Schneefelder machen uns zu schaffen und irgendwann verschwindet unser Weg vollends unter einer dicken Schneedecke. Mitte April so viel Schnee und das südseitig! Überrascht von der weißen Pracht kämpfen wir uns dennoch weiter die steilen Hänge empor, bis wir irgendwann kapitulieren müssen. Wir sind schon fast oben am Grat angekommen, als uns der Schnee schon bis zu den Oberschenkeln reicht.
Da vor uns noch keiner gespurt hat und die Sonne erbarmungslos die Schneedecke durchfeuchtet, beschließen wir umzukehren. Es liegt nicht am Können, denn wenn wir wollten, könnten wir uns bis zum Gipfel durch den Schnee wühlen. Doch Nassschneelawinen machen uns Sorgen! Denn kleinste Schneemengen, die wir auslösen, werden in kurzer Zeit auf ihrem Weg nach unten immer größer. Außerdem gibt es auch einige Spontanauslösungen. Uns ist die kritische Schneesitutation bewusst und damit treffen wir für uns die richtige Entscheidung der Umkehr. Safety first!
Ohne LVS-Ausrüstung, die wir mitsamt den Skiern weggeräumt haben, möchten wir ungern Bekanntschaft mit einer schweren Nassschneelawine machen! Auch unsere Füße, die in leichten Trailrunningschuhen stecken, sind mittlerweile zu gefühllosen Eiszapfen verkommen und freuen sich über den Rückzug. Wieder an der Hütte angelangt, ziehen wir unsere nassen Schuhe aus. Die wärmenden Sonnenstrahlen erwecken unsere Zehen wieder zum Leben. Das tut gut! Ab der Hütte geht es entspannt ohne Schnee hinab ins Tal.
Im Abstieg genießen wir immer wieder die Ausblicke hinüber zum Steinfalk, der östlichen Karwendelspitze, der Birkkarspitze und in weiter Ferne dem Sonnjoch. Unten im Tal angekommen wartet gefühlt bereits der Sommer auf uns. Es hat über zwanzig Grad und die ersten Blumen stibitzen aus den noch zum Teil farblosen Wiesen. Ein Kontrast, wie er stärker und intensiver nur im Frühjahr zu sehen ist …
Ausrichtung // Süd Bergtour/Wanderung ca 4:50 Std. 1070 hm
Art // Bergtour
Schwierigkeit // leicht
Orientierung // Vom Parkplatz am Mauthäusl folgen wir der Straße gute 500 Meter zu Fuß, bis wir zu einem gelben Wanderschild „Fleischbank“ gelangen. Von dort links über die Wiese und anschließend rechter Hand über den Bach. Danach in vielen Kehren hinauf zur Steilegg-Jagdhütte (1520 m). Weiter zum Sattel und danach über den etwas exponierten Grat (Vorsicht bei Nässe) weiter auf den Gipfel der Fleischbank. Abstieg wie Aufstieg oder über das Schönalmjoch.
Gehzeit und Tourenziele //
– Fleischbank 1070 hm (3-4 h)
– Überschreitung mit Schönalmjoch insgesamt 1150 hm (4,5 – 5 h)
Beste Jahreszeit // Anfang Mai bis zum Wintereinbruch. Im Hochsommer wegen der sonnenseitigen Exposition jedoch sehr warm. Die Tour geht wegen der sonnenseitigen Lage oft sehr früh oder spät im Jahr. Vorsicht Wintersperre! Die Mautstraße öffnet je nach Schneelage erst im Mai/Juni. Ist die Schranke geschlossen, muss mit dem dortigen Parkplatz vorliebgenommen und ca. 500 Meter bis zum Wanderschild (Abzweig) gegangen werden.
Einkehrmöglichkeit // keine
Anreise //
Mit dem Auto: Über Bad Tölz und Lenggries (Richtung Achenpaß) zum Sylvensteinstausee. Hierher auch über den Tegernsee und den Achenpaß, oder von Süden kommend über den Achensee. Über den Sylvensteinsee führt die Straße, an Fall, Vorderriß und Hinterriß vorbei Richtung Eng.
Mit Bus & Bahn: Bahnhof Lenggries, dann Bergsteigerbus in die Eng.
Parkplatz // Parkplatz direkt am Mauthäuschen, oder 700 Meter danach befindet sich eine kleine Parkbucht.
Kosten // 3,50 Euro
Ausrüstung // normale Wanderausrüstung
TIPP // Geübte Bergsteiger können die Tour durch eine Überschreitung zu einer schönen Runde ausbauen. Dazu steigt man vom Fleischbank-Gipfel über den Grat Richtung Osten hinab zum Sattel und geht nun links haltend am Kamm entlang zum Schönalmjoch (1986 m). Auf dem Weg dorthin kann das Hölzelstaljoch (2012 m) ebenfalls mitgenommen werden.