Schöner als sie singt niemand in der Schweiz: Superstar Beatrice Egli und Sopranistin Regula Mühlemann. Aber haben sie sich auch etwas zu sagen? Ja, jede Menge…
Sollen wir Hochdeutsch sprechen?“, fragt Beatrice Egli im charmant-kehligen Tonfall ihrer Heimat. Die Schlagersängerin hat sich gerade auf einem Sofa in dem Basler Hotelzimmer niedergelassen, in das ALPS zum Doppelinterview mit der Luzerner Sopranistin Regula Mühlemann gebeten hat. Und ahnt wohl, dass die Reporterin, die aus den Bayerischen Alpen stammt, etwas Mühe mit Schwizerdütsch hätte. Egli zaubert ein lupenreines Hochdeutsch mit hanseatischem Einschlag hervor, das sie auf der Schauspielschule in Hamburg gelernt hat. Und auch Regula Mühlemann stellt ihre glockenreine Stimme, mit der sie gerade die gesamte Opernwelt betört, ganz selbstverständlich in den hörerfreundlichen Modus um. So kann es losgehen mit dem Gespräch der beiden schönsten jungen Stimmen der Schweiz, deren Karrieren doch unterschiedlicher nicht sein könnten…
Beatrice Egli: Darf ich eins gleich vorweg sagen? Ich habe dem Interview nur zugestimmt, weil es mit Dir zusammen stattfindet!
Regula Mühlemann: Ich auch!
ALPS: Ihr kanntet euch schon?
RM: Nein. Aber ich bin durch meine Schwester über alles, was Beatrice Egli angeht, absolut informiert (lacht).
BE: Als die Anfrage kam, war mein erster Gedanke: Interview? Und das ausgerechnet mitten in der Tournee?. Aber ich muss sagen, im zweiten Moment war ich sehr erstaunt und glücklich über die Idee.
Was genau gefiel dir daran?
BE: Ich mag es, wenn Welten aufeinander treffen. Das ist ja genau das Schöne an der Musik: Sie bringt Menschen zusammen, die sich sonst nie begegnet wären! Intoleranz und Vorurteile fangen doch schon an, wenn jemand sagt: Ich will nichts mit der zu tun haben, weil sie Schlager singt. Oder klassische Musik macht. Mir geht es genau darum: Respekt zu haben vor dem, was der andere macht. Auch wenn man das nicht unbedingt selber machen könnte oder wollte.
RM: Ich glaube, dass bei jedem, der in seiner Musikbranche Erfolg hat – was Du ja hast…
BE: …und Du auch…
RM: …dass dieser Erfolg ja nicht einfach irgendwoher kommt. Es gibt ganz viele Leute, die das wollen, und nur wenige, die es schaffen.
Wie gelingt es denn?
RM: Es muss viel zusammenkommen, Leidenschaft und Willen. Anders als Beatrice singe ich ja keine Stücke, die speziell für mich geschrieben wurden. Ich interpretiere, will der Komposition gerecht werden und sie so gut wie möglich umsetzen. Das ist meine Motivation. Und ich glaube, ich habe auf dem Weg dorthin viele zurückgelassen, weil sie nicht den gleichen Anspruch hatten. Man hat immer das Gefühl, klassische Musik interessiert doch keinen mehr. Dabei sind die Hochschulen voll mit Leuten, die Sänger werden wollen.
BE: Das sind die, für die nur vier Buchstaben zählen: O-P-E-R! (lacht)
Den Durchbruch habt ihr beide geschafft. Wann kam der Punkt, an dem ihr gemerkt habt: Ich bin gut?
BE: Bist Du schon an dem Punkt?
RM: 2008 gab es einen Wettbewerb von der Crédit Suisse für junge Solisten, sehr renommiert. Jede Hochschule in der Schweiz konnte einen Teilnehmer schicken. Und von allen Instrumenten- und Gesangsklassen der Hochschule Luzern wurde ich ausgewählt. Das wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass die mich senden! In diesem Moment habe ich verstanden, wie mich die Hochschule wahrnimmt. Da hat sich ein Schalter umgelegt, und ich habe gemerkt: Ok, das könnte klappen!
BE: Ich glaube, ich gönne mir so einen Moment ganz bewusst nicht. Bis heute nicht. Für mich ist Stehenbleiben ist schon ein Rückschritt. Es muss immer weitergehen!
Das klingt nach harter Arbeit…
BE: Als ich 2013 bei Deutschland sucht den Superstar mitgemacht habe, war ich total gelassen. Ich habe die Koffer jede Woche gepackt und ging davon aus, so, jetzt geht es nach Hause. Ich habe gedacht: Mein Gott, zum Glück habe ich zwei gesunde Hände, wenn das mit der Musikkarriere nichts wird, kann ich arbeiten. Ich glaube, geputzt werden muss immer auf dieser Welt! (beide lachen).
RM: Genau! Es gibt immer einen Plan B.
BE: Ich habe keinen Plan B. Aber ich weiß, wenn was ist, kann ich umdenken.
Regula, hast Du damals eigentlich mitbekommen, dass da ausgerechnet eine junge Schweizer Sängerin gerade das Finale von DSDS gewinnt?
RM: Ja, ich habe das Finale sogar im Fernsehen gesehen. Das war beeindruckend! Man hat gemerkt, Du brennst für das, was Du machst. Und ich finde, genau das ist wichtig. Die Leute begeistern!
Wie begeistert man Menschen für klassische Musik?
RM: Das Schöne ist, dass man in der Klassik noch so viel aufbrechen kann. Auf einem Konzert im letzten Sommer bin ich barfuß aufgetreten. Mit so einer Kleinigkeit kann man Dämme einreißen, weil es so viele Konventionen gibt.
BE: Genau. Man muss Risiken eingehen. Sich nicht denen oben anpassen, die sagen: Ich weiß wie es geht! Als ich bei DSDS gesagt habe, ich singe nur auf Deutsch, wurde mir klar gesagt: Das kannst Du hier nicht machen. Dann kannst Du gleich wieder einpacken! Ich habe gesagt: Für mich kommt aber nichts anderes in Frage.
RM: Wenn du genau das tust, was zu dir passt, wird es immer eine starke Wirkung haben. Weil das Publikum spürt, dass man sich nicht verstellt.
Trotzdem müsst ihr auch mit kritischen Stimmen leben. Wie geht ihr damit um?
BE: Das gehört dazu. Aber ich kann das mittlerweile sehr gut handeln. Es wäre ja auch komisch, wenn die Presse nach jedem Konzert schreiben würde: Genial! Das würde man ja selbst nicht glauben…
RM: Und sich auch über Komplimente nicht mehr so freuen!
BE: In der Hinsicht sind wir uns als Schweizerinnen sehr ähnlich: Bodenständig und bescheiden…
RM: …und trotzdem nie mit sich zufrieden! (lacht)
1986 in Adligenswil bei Luzern geboren. Gesangsstudium an der Hochschule Luzern, 2010 Abschluss mit Auszeichnung. Die Sopranistin war bereits an großen Opernhäusern wie Paris, Wien und Zürich zu Gast und konzertierte mit renommierten Orchestern, etwa den Berliner Philharmonikern und Concentus Musicus Wien. Gerade hat sie ihr erstes Soloalbum mit Mozart-Arien veröffentlicht.
Wenn man in der Schweiz aufwächst, sind die Berge nie weit. Welche Beziehung habt ihr zu den Alpen?
RM: Als Teenager waren mir die Berge ziemlich egal. Aber jetzt fange ich plötzlich an zu wandern! Eine Freundin hat eine Hütte in den Bergen, da gehen wir manchmal hin. Man kann dort total zur Ruhe kommen.
BE: Ich war schon als Kind gerne in den Bergen. Aber ich schätze es heute noch viel mehr. Für mich ist es wunderschön, mit Freunden auf eine Hütte zu gehen. Ich glaube, ich suche im Privatleben bewusst diese andere Seite. Nicht die Highheels, nicht das Kleidchen. Sondern die Wanderhose, und die Socken, die man auch zwei oder drei Tage trägt, weil sie dann gut eingelaufen sind!
Was seht, hört oder fühlt ihr bei „Heimat“?
RM: Am intensivsten wahrgenommen habe ich das, nachdem ich zwei Monate in Paris war. Es war Frühling, und die Smog-Belastung in der Stadt war sehr hoch. Ich liebe Paris, eine unglaubliche Stadt. Aber ich habe Heuschnupfen und musste damals fast jeden Tag inhalieren. Dann bin ich nach Hause gefahren und habe plötzlich gemerkt: Es riecht so gut hier! So frisch! Und hatte das Gefühl, ich kann endlich wieder richtig durchatmen.
BE: Ich finde, die Schweiz hat einzigartige Farben. Die Berge, die grünen Wiesen, der Zürichsee, an dem ich aufgewachsen bin! Und woran ich auch denke: der Klang der Sprache. Schweizerdeutsch schafft einfach eine besondere Atmosphäre. Man steigt irgendwo in der Schweiz aus und denkt: Ah ja, da kommt wiedr dr Schwyzer! (lacht). Es funktioniert erstens alles etwas langsamer, und zweitens so freundlich! Das fällt mir gerade auf, wenn ich aus Deutschland komme. Und wenn Du in der Schweiz spazieren gehst: Gruezi, Guata Morga, Schöna Sunntig! Jeder geht seinen Weg, aber man grüßt sich freundlich. Das ist eine Ebene, die man nicht sieht, aber sie ist da, durch die Menschen.
Ein Wort auf Schwizerdütsch, das man außerhalb der Schweiz unbedingt kennen sollte?
BE: Meine Oma hat mir neulich vom Cholderibett erzählt. Cholder bedeutet Streit. Wenn man sich als Ehepaar schlimm streitet, hat man ein Cholderibett gehabt: Einer von beiden ist in ein anderes Bett gezogen. Da habe ich zu meiner Oma gesagt: Wenn ich mal heirate, möchte ich auch ein Cholderibett haben! Streiten kann sehr gesund sein. Und das Schönste ist die Versöhnung
Ihr seid beide oft im Ausland. Hat das den Blick auf die Schweiz verändert?
RM: Ich finde es heute manchmal lustig, über was sich die Menschen hier aufregen. Zum Beispiel über den Öffentlichen Verkehr. Hey, Leute, das ist der beste Ort auf der ganzen Welt, was den ÖV betrifft!
Und umgekehrt: Sehnt man sich manchmal nach Zuhause, wenn man in fremden Hotelzimmern aufwacht?
BE: Ich habe immer Heimweh! Nach meiner Familie, nach dem Essen von Mama, nach dem Gefühl, morgens im eigenen Bett aufzuwachen. Wenn ich auf Tournee bin, versuche ich, alle zwei Wochen für ein paar Tage zuhause zu sein.
RM: Jedes Mal, wenn ich in den Bahnhof Luzern einfahre, geht mir das Herz auf! Da kommst Du nach Wochen und Monaten wieder nach Hause und denkst nur: Wow, ist das schön hier! Ich bin schon ein bisschen emotional, was die Heimat angeht.
Fällt es euch leichter, zu Hause aufzutreten?
RM: Für mich war es schwerer. Daheim gibt es ja das Lucerne Festival, eines der angesehensten Festivals der Welt für klassische Musik. Als Luzernerin braucht es doppelt so viel, um dort auftreten zu dürfen. Die wollen sich ja nicht nachsagen lassen, dass sie jemanden auf die Bühne holen, nur weil er aus der Stadt kommt! Wenn Du es als Einheimische dorthin geschafft hast, bedeutet das, dass man wirklich respektiert, was Du machst. Und dann ist es unglaublich schön, wenn man durch das heimische Publikum unterstützt und getragen wird.
BE: Ich merke keinen großen Unterschied, ob ich zuhause spiele oder in Hamburg oder London – außer dass ich in der Schweiz manchmal ganz vergesse, Schwizerdütsch zu sprechen! (lacht)
1988 in Lachen (Kanton Schwyz) geboren. Nach Ausbildung zur Friseurin private Schauspielschule in Hamburg. 2013 Siegerin der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“. Egli hat bislang sieben Alben veröffentlicht ausgezeichnet mit dem Echo und dem Swiss Music Award. Mit ihrem im April veröffentlichten Album „Kick im Augenblick“ ist sie derzeit auf Tour.
Was sind das eigentlich für Gipfelerfahrungen, die man auf der Bühne macht?
BE: Ich bin wahrscheinlich das größte Kind auf dieser Welt. Und ich tobe mich auf der Bühne aus!
RM: Oh ja! Es gibt diese Auftritte, nach denen man denkt: Moment, war das wirklich ich? (lacht)
BE: Das ist einfach der schönste Spielplatz, den es gibt, oder? Manchmal lasse ich Sachen auf der Bühne raus…und meine Band schaut mich hinterher an und fragt: Hast Du das gerade wirklich gemacht?
RM: Man wächst über sich hinaus. Das Adrenalin macht Sachen mit einem … und später denkt man dann: Wow, den Mut hätte ich eigentlich nie!
Wir bedanken uns beim Radisson Blu Hotel, Basel, für die freundliche Unterstützung.