Mit 262 Loipenkilometern und einer Höhenlage in 1200 Metern ist die Olympiaregion Seefeld der ideale Ort für Langlaufsportler. Unsere Autorin testet hier den Trendsport Biathlon und stellt fest: Gewinnen ist nicht alles
Ich liege bäuchlings auf verschneitem Boden und schwitze. Mein Herzklopfen ist ebenso laut wie die Schüsse, die rechts und links von mir ertönen. Es sind fünf. Mein Nebenmann lässt das Gewehr fallen, springt auf und schnallt sich die Langlaufski unter. Er saust auf den dünnen Latten davon so schnell er kann, ich kneife das linke Auge zu und versuche, meine Waffe ruhig zu halten, das Fadenkreuz auf die schwarze Zielscheibe zu richten. Ich drücke ab, es knallt – Fehlschuss.
In Seefeld absolvieren sechs Gäste des „Klosterbräu“-Hotels und ich unseren ersten Biathlon bei einem Schnuppertraining der Langlaufschule Cross Country Academy. Dafür gibt es keinen besseren Ort, denn Langlauf hat in Seefeld Tradition: schon dreimal wurden hier die nordischen Wettbewerbe der Winterolympiade ausgetragen, 1985 die Nordische Skiweltmeisterschaft, sowie wiederum 2019 – und jährlich der Nordische Weltcup Triple. Das ganze Jahr über trainieren hier internationale Spitzensportler, im Sommer sogar mit Skirollern. Die Voraussetzungen des Dorfes sind ideal: weitläufiges Gelände, die Höhenlage in 1200 Metern auf einem Sonnenplateau, außerdem steht hier das Nordische Kompetenzzentrum mit einer der modernsten Biathlonanlagen Europas. Die kilometerlangen Loipen werden beschneit, sodass man bereits ab 1. November (Schneegarantie durch Snowfarming) bis Anfang April seine Runden ziehen kann.
Die erste Lektion, die ich lerne, lautet: Ein guter Soldat beherrscht sowohl das Schießen als auch den Langlauf. Ursprünglich war Biathlon nämlich ein Militärsport, bei dem Soldaten miteinander wetteiferten. Aus dem Militärpatrouillenlauf entwickelte sich schließlich der heutige Biathlon, der seit den 1990er-Jahren bei Sportlern und Zuschauern zu den beliebtesten Wintersportarten gehört. Was die Faszination der Kombination aus Schießen und Langlaufen ausmacht, bekomme ich gleich nach einem Probedurchgang zu spüren: Die Mischung aus Ausdauer und Präzision, die dem Körper abverlangt wird, bringt einen schnell an die Leistungsgrenze. Konkret sieht das so aus: Nach einer Runde Langlauf im Skating-Schritt, der mich auf zentimeterdünnen, federleichten Latten schnell aus der Balance bringt, muss ich mir ruck, zuck ein Gewehr umhängen und mich auf den Boden legen – die Ski behalte ich an, um keine Zeit zu verlieren. Dabei rudere ich mit den Beinen wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Jetzt ziele ich auf eine der fünf schwarzen Scheiben. Wenn ich treffe, klappt ein Deckel darüber und sie wird weiß. Drei Fehlschüsse kann ich mir in einer Runde erlauben, dann sind die Patronen alle. Das ist für mich ziemlich ungünstig, denn ich bin auf Anhieb keine gute Schützin. Nach einer Runde bleiben drei Zielscheiben schwarz. Wer wie mein Teamkollege aus einer Jägerfamilie stammt, schneidet deutlich besser ab. Leider muss ich für jedes verfehlte Ziel eine Strafrunde laufen. Inzwischen bin ich komplett nass geschwitzt. Doch der Ehrgeiz hat mich gepackt. Meinen ersten Biathlon will ich gewinnen.
Nach dem Probedurchlauf teilen wir uns in zwei Teams auf, je zwei Gegner starten gleichzeitig, laufen eine Runde bis zum Schießstand, schießen, absolvieren ihre Strafrunden und laufen zur Gruppe zurück – der Nächste startet. Für Hobby-Athleten gelten stark vereinfachte Regeln, denn im Profisport sind die Richtlinien kompliziert und in den sieben gängigen Disziplinen, die vom Einzel- bis zum Massenstart reichen, sehr unterschiedlich. Ich bin als Erste dran und unterhalte mich danach mit Alois Seyrling, der seine Gäste heute begleitet und in meinem Team ist. Er macht den Sport selbst erst seit ein paar Jahren, kann sich einen Winter ohne Langlauf aber nicht mehr vorstellen: „Das Ausdauertraining in der freien Natur ist für mich der beste Weg, um den Kopf frei zu bekommen. Außerdem kann man für sein Herz-Kreislauf-System kaum etwas Besseres tun, und Skating ist ein optimales Bauch-Beine-Po-Training. Das sind ja auch bei Männern die typischen Problemzonen“, sagt er und lacht.
Natürlich ist Seefeld nicht nur Trainingsgelände für Profis, sondern auch ein ideales Ziel für Genusssportler, die lieber langsam in der Wintersonne ihre Bahnen ziehen. Klassik- und Skatingläufer können hier 262 Loipenkilometer nutzen, zwei beleuchtete Nachtloipen und eine Hundeloipe führen durch eine der schönsten Berglandschaften Tirols. Das Beste für Anfänger wie mich ist die übersichtliche Beschilderung aller Strecken und die Angaben zu Kilometern, Schwierigkeitsgrad und Höhenprofil.
Obwohl ich höchstens die Hälfte der Zielscheiben getroffen haben, gewinnt unser Team. Alois geht in unserer Gruppe als Profi durch – und die Gegner waren auch nicht schneller. Wir klatschen uns gegenseitig ab, dann geht es vorbei an der barocken Seekirche am Ortsrand zurück zum Hotel. Ich schäle mich aus den verschwitzten Kleidern, genieße die körperliche Erschöpfung und die Stille im Kopf – und verschwinde für die nächsten Stunden im Wellnessbereich. Dass wir gewonnen haben, ist mir inzwischen völlig egal.
Biathlon-Training in Seefeld:
Gästebiathlon mit Kleinkaliber – Kurse – Incentives
Langlauf Verleih und Ausrüstung
Langlaufen in Seefeld, mit interaktiver Langlaufkarte:
www.seefeld-langlauf.at