Tag und Tracht: Für festive Abende geht das zünftige Gwand immer. Doch mittlerweile gilt die Tracht auch im Alltag als cooles Statement
Gerade kam Herbert Pixners neue Volksmusik-CD heraus, sehr ungewöhnlich verpackt in einer echten Zirbenholz-Hülle. Der Südtiroler Ausnahme-Musiker bringt die Verschmelzung von Tradition und Innovation auf den Punkt wie kaum ein anderer. Der Trachtenmode fehlen solche Gallionsfiguren noch. Den frischen Wind verbreiten eher kleine Labels aus München und Oberbayern.
Dass Tracht momentan en vogue ist, ist kaum zu übersehen. Spätestens zum Oktoberfest, wenn die kitschigen Glitzerkleidchen und die billigen Lederhosen-Sets zur Theresienwiese strömen, klingeln die Kassen der Trachtenanbieter. Mit Tradition hat das oft nur am Rande zu tun. Mehr und mehr aber sieht und spürt man Bewegung innerhalb der Tracht. Eine Bewegung weg vom Aufgerüschten, Seidigen, Glitzrigen hin zum wertigen, authentischen, schlichten Understatement. Die Dirndl sind geknöpft und nicht mehr mit Seidenbändern geschnürt. Froschgoscherl und Schließen aus den 50er- und 60er-Jahren lösen Chanel- und Glitzeroptik ab. „Der Trend geht zur Tradition, zurück zu den Anfängen. Gedeckte Farben, hochgeschlossene Baumwoll-Dirndl und Blusen sind sehr gefragt momentan“, sagt Julia Trentini. Die Münchner Designerin gehört zu dem bayerischen Kreis an Trachtenmarken, die die etwas angestaubte Branche mit neuen Ideen und Innovationen aufmischen. Sie und Labels wie Gottseidank, Anno Domini, Amsel und Ploom holen sich ihre Inspirationen in der Vergangenheit, greifen Muster und Stoffe von früher auf, setzen sie aber über flotte Schnitte und neue Materialien modern und zeitgemäß um.
Dass gerade die junge Zielgruppe Tradition wieder für sich entdeckt, hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es einen starken Langzeittrend hin zu Entschleunigung, Heimat, Natur und Nachhaltigkeit. Handwerk und Herkunft der Produkte spielen zunehmend wieder eine Rolle. Wertigkeit und Zeitlosigkeit der Tracht stehen in Kontrast zu einer schnelllebigen Wegwerfkultur, mit der sich keiner identifizieren kann.
Julia Trentini sieht das weniger gesellschaftspolitisch. „Tracht entwickelt sich immer weiter. Es gibt durchaus Trends innerhalb der Tracht.“ Und die sind – zumindest für die junge Zielgruppe – neu und unverbraucht. „Bei der jüngeren Generation ist die Offenheit größer für gewisse Themen, die schon mal da waren und die unsere Eltern sogar manchmal als altbacken empfinden“, sagt Franz Grasegger vom gleichnamigen Traditionsunternehmen in Garmisch. Auch bei den Männern sieht er diese Besinnung auf die Tradition. Westen sind in den Farben gedeckter mit dezenten Jacquards und matter Optik. Hemden sind schmal, clean und oft unifarben statt auffällig kariert. Daneben gewinnt die klassische Joppe wieder an Bedeutung. „Viel Wert wird bei den Frauen sowie bei den Männern auf moderne Passformen gelegt. Es geht um den alltäglichen Komfortanspruch, den die Kunden von der Mode gewöhnt sind“, so Grasegger.
Denn Tracht wird heute nicht mehr nur zu Anlässen und Festen getragen, auch wenn die immer häufiger in Tracht gefeiert werden. Für so viele Hochzeiten, Musikfestivals, Geburtstags- und Firmenfeiern, Wald- und Volksfeste lohnt es sich, in schöne wertige Tracht zu investieren. Die wollen immer mehr aber auch zu weniger festlichen Anlässen tragen. Das fördert den Trend zum schlichten Waschdirndl aus Baumwolle. Vor allem die einfachen hochgeschlossenen Kleider kann man im Sommer auch mal ohne Bluse ganz leger im Biergarten oder am Seefest tragen, ohne gleich overdressed zu wirken.
Früh erkannt hat diesen Wunsch nach Alltagstauglichkeit die Rockmacherin alias Caroline Lauenstein. Die gebürtige Hamburgerin, die schon lange am Ammersee lebt, hat dem Trachtenrock neues Leben eingehaucht und einen regelrechten Boom ausgelöst. Ihre in Bayern genähten Röcke aus Loden oder Baumwolle sind regelmäßig ausverkauft. Dazu trägt man schlichte weiße Blusen oder passende Strickjacken. „Die Frauen suchen Alternativen zum Dirndl. Jacken und Blazer, die man auch zur Jeans tragen kann, laufen gut. Mieder, Blusen, Dreiteiler und auch wieder trachtige Kleider“, sagt Christine Weber von Anno Domini.
Die jungen Nonkomformisten schwören auf die lässigen Kapuzen-Janker von Liebling aus Bad Tölz, die sommers wie winters am Lagerfeuer, im Biergarten, beim Wandern getragen werden. Auf mit Tradition gemixte Streetwear setzen immer mehr Anbieter – sei es Bavarian Caps mit Edelweiß-bestickten Trucker Caps oder T-Shirt-Labels wie FYFY aus München mit Sprüchen wie „What happens in the Beergarden stays in the Beergarden“. Da würden die echten Trachtler schon wieder die Nase rümpfen. Die anderen tragen’s mit einem Augenzwinkern – und zwar Tag und Nacht.
Wir bedanken uns herzlich bei Familie Winkler und ihrem Team für die tolle Unterstüzung bei der Produktion unserer Trachtenstrecke.
BERGCAFÉ SIGLHOF
Hochkreuth
83735 Bayrischzell
T. +49/8023/6 79
Website: www.siglhof.com
Hersteller/Credits
Franken&Cie, www.franken-cie.com
Michaela Keune, www.michaelakeune.de
JAN&INA Trachten, www.janinatrachten.de
Just White, www.blusen.de
Gottseidank, www.gottseidank-design.de
Samtherz, www.samtherz.de
Amsel, www.amsel-fashion.com
Sportalm, www.sportalm.at
Almliebe, www.almliebe.com
Brioni, www.brioni.com
Meindl, www.meindl.de
Navyboot, www.navyboot.com
Hydrogen, www.hydrogen.it
Trentini, www.juliatrentini.de
Schneiders, www.schneiders.com
Schoshoes, www.schoshoes.com
Pretty Ballerinas, www.prettyballerinas.com
Filippa K, www.filippa-k.com
René Lezard, www.rene-lezard.com
Chalet, www.chalet-nuernberg.de
Cadenzza, www.cadenzza.de
Karinfraidenraij, www.karinfraidenraij.com
American Vintage, www.americanvintage-store.com/de
Hamlet, www.prime-shoes.com/de/hamlet
Fotograf: Detlef Schneider
Produktion: Lale Aktay
Haare/Make-Up: AYSU@USCHI RABE mit Produkten von Sisley Paris
Foto-Assistent: Max Christman
Models: FLORIAN LEICHS@KULT MODELS, SEVERIN@PS MODELS