Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken, erste Schneefelder legen sich behutsam über die hohen Bergrücken, doch die Herbstverfärbung ist in vollem Gange und somit die Wanderzeit noch nicht vorbei! Die Ammergauer Alpen eignen sich als perfektes Übergangs-Terrain, da sie eine vergleichsweise niedrige Gebirgsgruppe bilden. Möchte man die glühenden Bergwälder im Sonnenschein vom Gipfel genießen, ist ein Besuch im Naturpark Ammergauer Alpen und des Schlosses Linderhof quasi ein Muss!
Die Kreuzspitze ist ein ganz besonderer Berg. Nicht nur, weil sie die Auszeichnung „der höchste Berg der Ammergauer Alpen“ trägt. Der nordseitige Anstieg auf ihr Haupt ist von abwechslungsreichen Naturzonen geprägt. Auch der Weg gestaltet sich facettenreich. Schlängelt sich der schmale Pfad anfangs noch behäbig in kaum merklicher Steigung bergauf, so steil, felsig, ruppig und alpin wird er im oberen Drittel.
Die Kreuzspitze ist daher ein richtiger Charakterberg, deren Besteigung nicht nur eine gute Kondition erfordert. Tritt- sowie schwindelfreie Bergsteiger werden ihre Freude an dieser etwas anspruchsvolleren Tour haben. Weniger forcierte Wanderer drehen nicht selten vor dem felsigen Finale um. Doch auch der Latschenrücken unterhalb des wilden Gipfelanstieges ist ein wunderbares Ziel, um den Blick über die zahllosen Bergketten schweifen zu lassen.
Doch bevor wir auf dem Panorama-Gipfel stehen, müssen 1100 Höhenmeter und sechs Kilometer zurückgelegt werden. Nicht täuschen lassen: Die Zeitangabe auf dem gelben DAV-Schild am Parkplatz ist mit 3,5 Stunden sehr großzügig bemessen. Fitte Bergsteiger schaffen die Tour mindestens eine Stunde schneller! Zuerst muss ein weites Bachbett gequert werden, welches mit Steinmännern markiert ist. Anschließend folgen wir dem Forstweg ein kurzes Stück, bevor er im Wald in einen Pfad übergeht. Ohne merklichen Höhengewinn queren wir lange die Bergflanke, bevor endlich die erste Serpentine erreicht wird.
Nun schraubt sich der schön angelegte Bergweg in moderater Steigung bis zur Waldgrenze empor. Danach gehts in der Schuttreiße der Nordflanke des Hochgrieskares, unter dem felsigen Gipfelaufbau der Kreuzspitze steil hinauf. Der Weg quert das Geröllfeld etliche Male, bevor wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Nun folgt ein anstrengender, steiler Abschnitt mit vielen großen Fels- und Wurzelstufen im duftenden Latschengürtel. Dieser Abschnitt ist im nassen oder feuchten Zustand oft recht unangenehm. Im rutschigen Abstieg können die robusten Bergkiefern ohne Bedenken als Abstiegshilfe verwendet werden.
Kurz bevor der aussichtsreiche Sattel erreicht wird, muss eine kleine Kraxelpassage gemeistert werden. Die üppigen rot-weißen Markierungen weisen hier den richtigen Weg durchs felsige Gelände. Belohnt werden die Strapazen durch einen grandiosen Blick auf unser heutiges Ziel und die umliegende Bergwelt. Der breite Grat verläuft anschließend flach dahin, bis zum Beginn der Felsenzone der Kreuzspitze. Von hier ist das Gipfelkreuz zum Greifen nah. Vom Schwarzenköpfel (1897m) sind es jetzt noch rund 300 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt.
Auch wenn es nicht mehr weit ist – der anspruchsvollste Teil steht uns noch bevor. Auf einem stellenweise ausgesetzten Steig gehts die letzten Höhenmeter im alpinen Terrain kurzzeitig zur Sache. Hier ist Trittsicherheit und leichtes Kletterkönnen gefragt, um sicher auf den Gipfel zu steigen. Wer ein Freund des Felskontaktes ist, wird hier seine Freude haben! Immer wieder müssen die Hände zum Vorwärtskommen eingesetzt werden. Zahlreiche rote Punkte machen die Orientierung allerdings leicht und ein Versteigen quasi unmöglich. Bald kommen wir am gelben Wegweiser vorbei, welcher zehn Gehminuten bis zum Gipfel anzeigt. Fast geschafft.
Wir steigen aus der Nordflanke heraus auf den kurzen Gipfelgrat. Konzentriert gehen wir die letzten Meter bedacht hinauf zum silbernen Kreuz auf 2.185 Meter. Bei guter Sicht erwartet den Gipfelaspiranten ein spektakulärer Rundumblick: das Karwendelgebirge, das Wettersteinmassiv mit Zugspitze, die Allgäuer Alpen und dahinter sieht man sogar die Zentralalpen. Nicht zu vergessen der Blick auf das Alpenvorland mit Ammer- und Starnberger See! Ein Ausblick zum Verweilen. Auch wenn die Ammergauer Alpen an schönen Tagen oft sehr frequentiert sind, hat man auf der Kreuzspitze oder den Geierköpfen meistens seine Ruhe und den Gipfel ganz für sich allein.
Vor allem am heutigen kalten und etwas bewölkten Oktobertag ist kaum einer auf die Idee gekommen, diese nordseitige Tour zu unternehmen. Auch wenn immer wieder die Sonne durch die Wolkenschicht bricht, bleibt es eisig. Allerweil ziehen mystische Nebelschwaden über die Bergkette. Mir gefällt die Stimmung trotzdem sehr gut, da sie für die nötige Dramatik sorgt. Ich ziehe alles an, was der Inhalt meines Rucksackes zu bieten hat. Doch der Wind ist leider zu stark, um eine längere Gipfelrast einzulegen. Also schnell die mitgebrachte Brotzeit verspeisen und auf dem Aufstiegsweg vorsichtig wieder hinab ins Tal.
Im Abstieg kommen wir kurz unterhalb des Gipfels am gelben DAV-Schild vorbei. Von hier zweigt ein Weg zum wunderschönen Kuchelberggrat ab. Diese lange Gratunternehmung ist eine absolute Traumtour, welche allerdings eine große Portion Kondition oder vielmehr Ausdauer für ca. 24 Kilometer und 1500 hm voraussetzt, sowie Orientierung im teilweise weglosen Gelände. Die Kreuzspitze wird am Ende des Grates meistens als Gipfel-Highlight drangehängt. Der Rückweg zieht sich sehr und sollte mit dem Mountainbike abgekürzt werden! Da der Weg über steile Grasabschnitte führt, ist diese Bergtour nur bei absolut trockenen Verhältnissen zu empfehlen.
Konzentriert steigen wir Stück für Stück im teilweise rutschigen Felsgelände ab. Auch im Abstieg sind überall Markierungen ersichtlich, also kein Grund zum Versteigen. Die Temperaturen steigen ohne Wind merklich an, Zeit um sich aus der oberesten Kleidungsschicht zu schälen und die Stecken herauszuholen, denn jetzt haben wir wieder normales Gehgelände unter den Sohlen. Die Sonne zeigt sich ebenfalls von ihrer gutmütigen Seite, was der Kreuzspitze einen weniger grimmigen Charakter verleiht. Nach dem kurzen Gratstück gehts jedoch ins nordseitige Kar und damit ist es mit der Sonne für heute vorbei.
Die oberen Serpentinen können durch die „Abfahrt“ vom Karfeld kraftsparend abgekürzt werden. Spaß machts obendrein, mehr oder weniger kontrolliert in der gut gefüllten Schuttrinne runterzulaufen. Die kleinen Steine geben ohne Widerstand nach, als wäre es eine Düne und kein Geröllfeld. Perfekt! Danach gehts dann eher monoton in endlos langen Serpentinen hinab ins Tal. Als wir bei der flachen Querung ankommen, ist es auch schon fast geschafft. Noch schnell über das Bachbett und schon sind wir wieder wohlbehalten zurück am Auto. Eine wunderschöne, wilde sowie eindrückliche Herbsttour …
Bergtour Exposition // Nord 4,5 – 5 Stunden Distanz: 1100hm, 12 Kilometer
Schwierigkeit: Mittel
Land // Deutschland, Ammergauer Alpen
Orientierung // Vom Parkplatz zunächst weglos über ein Bachbett. Ca. 150 Meter wandert man durch das „Gries“, bis ein großer Steinmann den Weg zur Forstrasse markiert. Dort folgt man dem gelben Schild in Richtung „Kreuzspitze“. Der breite Weg wird alsbald zum kleinen Pfad, der lange flach im Wald quert. Anschließend geht es in zahlreichen Serpentinen das Hochgrieskar hinauf, bevor der Steig weiter auf einen Latschenrücken führt. Über stufiges, wurzeliges und schottriges Gelände erreicht man den aussichtsreichen Westgrat. Der felsige Gipfelaufbau kommt ebenfalls zum Vorschein. Nach dem Gratrücken führt der Steig durch die Wand. Das Felsgelände ist von roten Punkten durchsetzt, was die Orientierung leicht macht. Die Schwiergkeiten (UIAA I) halten sich dabei in Grenzen und werden immer wieder von Gehpassagen abgelöst. Die letzten Meter führen über den kurzen Nordgrat unschwierig zum Gipfelkreuz. Abstieg wie Aufstieg.
Anreise // Von Norden über die A95 München-Garmisch und weiter auf der B2 bis Oberau; hier auf B23 Richtung Schloß Linderhof / Reutte. Über Graswang und Linderhof bis zur Staatsgrenze (7 km hinter Linderhof). Hier findet man vor Beginn der Serpentinen den Wanderparkplatz.
Parkplatz // Wanderparkplatz „Bei den 7 Quellen“ im hintersten Graswangtal unmittelbar an der Grenze zu Österreich.
Kosten // –
Ausrüstung // Stöcke
Beste Jahreszeit // Juli bis zum ersten Schneefall
TIPP // Wer schon mal im Graswangtal unterwegs ist, sollte auf dem Rückweg unbedingt einen Stopp am märchenhaften Schloss Linderhof von König Ludwig II einlegen. Ein Besuch vom Schloss ist allerdings nur im Rahmen einer Führung möglich (alle 5-10 Minuten).