In den 70er-Jahren hat er die Skiwelt auf den Kopf gestellt. FUZZY GARHAMMER ist ein Urvater von Aerials, Slopestyle & Co. Mit ALPS sprach die Trickski-Legende über Sinn und Leichtsinn, die Veränderungen im Ski-Tourismus und das Sportgerät Swingbo
Ein kleines Häuschen im Münchner Osten. Hier wohnt er, der Pistenschreck. Er, der mit dem Schnee tanzt. Die Trickski-Legende. Namen hatte er viele. Fuzzy Garhammer aus dem niederbayerischen Asenham war in den wilden 70er-Jahren einer der Wildesten auf den Hängen. Rasante Fahrten durch die Buckelpiste, mal vorwärts, mal rückwärts, spektakuläre Saltos und Schrauben von der Schanze. Er gewann den zweiten jemals ausgetragenen Freestyle-Contest in Vail/Colorado und brachte die Disziplin nach Deutschland.
An einem trüben Sonntagvormittag holen wir Fuzzy Garhammer daheim ab. Wer ihn zum Interview und Fotoshooting trifft, braucht dafür – natürlich – Schnee. Also packen wir Fotos von früher, einen Schneesurfer und warme Klamotten ein und fahren raus aus München.
Irgendwo in Richtung Berge, auf der Suche nach einer weißen Landschaft. Wir landen eher zufällig im Skigebiet Sudelfeld und hätten es nicht besser planen können. Denn hier fand der erste Snowboard-Contest Deutschlands statt. Er hat ihn organisiert und sich damals auch dafür eingesetzt, dass Lifte und Bergbahnen die Snowboarder überhaupt mitnehmen. Das erzählt uns Fuzzy Garhammer ganz nebenbei. Überhaupt fühlt sich der ganze Tag eher nach einem freundschaftlichen Sonntagsausflug an, als nach einem angestrengten Interview. Und so, als ob wir uns schon lange kennen würden.
ALPS: Wie sind Sie eigentlich zum Skifahren gekommen?
Fuzzy Garhammer: Als ich etwa sieben Jahre alt war, lief bei unserem Dorfwirt der Film „Aber mein Hans, der kann’s“. Meine Geschwister und ich waren begeistert. Ski hatten wir keine, dafür Holzschuhe. Die haben wir mit Bienenwachs gewachst und auf dem Grundstück unseres Bauernhofs Bob-Bahnen und Schanzen gebaut. Während meiner Lehrlingszeit sah ich den Profis auf der Maxlrainer-Alm beim Fahren zu. Irgendwann kaufte ich mir eigene Ski. Allerdings musste ich die Investition an meine finanzielle Situation anpassen. Und die sah nicht besonders rosig aus. Also waren nur sehr kurze Ski drin, Firngleiter. Die waren etwa 80 Zentimeter lang, hatten keine richtige Bindung und waren entsprechend günstig. Damit konnte ich innerhalb weniger Wochen all das machen, was ich bei den Profis gesehen hatte. Weil man sich mit den kurzen Skiern sehr einfach drehen konnte.
Seit der Erfindung des Carvingskis ist die durchschnittliche Skilänge um etwa 20 cm zurückgegangen. Im Grunde waren Sie Ihrer Zeit also einfach um ein paar Jahre voraus.
Fuzzy Garhammer: Für Ski galt damals: Je länger, desto besser. Wer etwas auf sich gehalten hat, fuhr mindestens 2,10 Meter. Ein kürzerer Ski wäre nicht in Frage gekommen – auch wenn das Fahren leichter gewesen wäre. Weil es dem Image geschadet hätte. Diese Eitelkeit fand ich damals schon interessant. Skifahren ist und war schon immer ein Poser-Sport. Snowboarder sind auch nicht besser. Nur anders. Das fängt bei der Kleidung an, geht bei der Marke des Skis weiter und endet bei Helm, Mütze und Co. Trotzdem sind es geniale Sportarten. Wegen der Natur, der Fliehkräfte und der Menschen, die man kennenlernt.
Sie waren 1971 beim Interski-Kongress in Garmisch im Demonstrations-Team der Skilehrer und sind einigermaßen aus der Reihe getanzt.
Fuzzy Garhammer: Es wurde ja damals recht schablonenhaft Ski gefahren. Und ich war Special-Demonstrator. Mit Lederhose. Und konnte die Eigenarten aufs Korn nehmen. Fuhren alle im perfekten Pflug, bin ich eben rückwärts im Pflug gefahren. Ich habe einfach alles anders gemacht. Bei der Veranstaltung waren Vertreter aus der ganzen Welt da. Ein Jahr später luden die Amerikaner europäische Ski-Teams zu einem internationalen Kongress ein. Ich durfte auch mitkommen. Dort fand ein Freestyle-Wettbewerb statt. Der erste Preis war ein Camaro SS mit 320 PS. Ich nahm teil – und habe gewonnen.
„Wenn man einem 14-jährigen im Kurs das Handy abnimmt, dreht der erstmal durch“
Was ist mit dem Auto passiert?
Fuzzy Garhammer: Das habe ich direkt verkauft. Das war ja richtig viel Geld für mich. Ab diesem Erlebnis war mir klar, dass ich hauptberuflich Skifahren möchte. Meinen vernünftigen Job, Feinmechaniker, habe ich direkt an den Nagel gehängt.
Und lief es so, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Fuzzy Garhammer: Schlagartig kamen damals Willy Bogner und andere Filmgrößen auf mich zu und wollten mich vor der Kamera. Für die Teleski-Serien des Bayerischen Rundfunks war ich als „Fuzzy der Pistenschreck“ unterwegs und habe Slapsticknummern gedreht. Es lief also direkt sehr gut an! Irgendwann habe ich mich auch mal hinter die Kamera gestellt und in eine Filmausrüstung investiert. Und hatte einen neuen Beruf: Kameramann.
Sie haben nicht nur das Freestyle-Skifahren in Deutschland entscheidend vorangetrieben, sondern auch versucht, ein neues Sportgerät zu etablieren – das Swingbo.
Fuzzy Garhammer: Die Idee kam von zwei Brüdern aus Sauerlach, die ein Skateboard für den Schnee entwickeln wollten. Irgendwann kamen sie auf mich zu und wollten, dass ich einen Film darüber mache. Ich testete das Gerät direkt selbst. An diesem Tag hat es mich öfter geschmissen als in zehn Jahren auf Skiern. Aber gleichzeitig wurde mir das Potential bewusst. Für die Filme haben wir uns Profi-Skater und große Namen der Windsurf-Szene ins Boot geholt. Robby Naish und Charly Messmer zum Beispiel. Das Medienecho war gut und wir konnten Grundig als Sponsor für Wettbewerbe gewinnen. Das hat auch der Entwicklung des Snowboards gut getan.
Trotzdem hat sich das Swingbo nicht durchgesetzt. Warum?
Fuzzy Garhammer: Erstens war das Gerät technisch sehr kompliziert. Es besteht aus vielen Teilen – was es teuer macht. Zweitens ist die Firma damit zu schnell auf den Markt gegangen. Der Schneesurfer war damals noch nicht bereit dafür. Noch nicht ausgefeilt genug. Wir sind zwar mit einem verbesserten Modell nachgezogen. Aber weil sich unser Zulieferer in Südafrika einfach das extrem robuste Material Kevlar gespart hat, sind die Geräte reihenweise gebrochen. Das war der Moment für den Cut. Zu diesem Zeitpunkt waren schon auf allen Pisten Snowboards unterwegs. Und die sind viel einfacher zu bauen – und auch zu fahren. Fast 2000 Geräte habe ich etappenweise in die USA gebracht. Dort sind sie zu Snowsurfern für Menschen mit Behinderung geworden.
Die Zeit war einfach noch nicht reif für das Swingbo?
Fuzzy Garhammer: Das kann schon sein. Die Idee finde ich nach wie vor gut. Aber würde man das heute richtig groß aufziehen wollen, müsste schon jemand mit den entsprechenden Finanzen im Hintergrund kommen. Ich denke, dass noch etwa zwei, drei Jahre vergehen sollten. Dann wird der Markt förmlich nach etwas Neuem schreien. Gerade ist er gesättigt. Wenn man das Swingbo optisch noch mehr an das Skateboard annähern würde, sehe ich durchaus Chancen. Gerade weil das Image des Snowboardens in den letzten Jahren gelitten hat.
Warum das?
Fuzzy Garhammer: Es tut nicht gut, dass Snowboarden seit 1998 zum Programm der Olympischen Winterspiele gehört. Das braucht der Sport nicht. Keiner Sportart tut es gut, dort dabei zu sein. Dieses National-Getue mit Flaggen und Hymnen finde ich schrecklich. Es sollte immer der Sport im Vordergrund stehen. Nie die Nationalität oder die Herkunft. Sport darf nicht instrumentalisiert werden.
Konflikte gibt es ja auch in Sachen Skitourismus und Umweltschutz. Am Riedberger Horn soll zum Beispiel aus zwei Skigebieten durch einen Verbindungslift eine Skischaukel gemacht werden. Dafür müsste eine Alpenschutzzone bebaut werden. Wie sehen Sie das?
Fuzzy Garhammer: Die Alpen sind ein Erholungs- und Abenteuerspielraum, ein Großteil der Alpenbevölkerung lebt davon. Ich bin der Meinung, dass man manche Zentren optimieren sollte – Bahnen verbreitern, zusätzliche Lifte. Andere Gebiete sollte man der Natur zurückgeben. Es wird wärmer auf unserem Planeten und für einige Ecken heißt das, dass sie sich irgendwann nicht mehr für den Wintersport eignen. Das müsste also von Fall zu Fall entschieden werden. Am Riedberger Horn im Allgäu waren beide Seiten eh schon erschlossen. Da sehe ich keine Probleme, wenn man eine Skischaukel baut.
„Ich bin froh, dass meine Söhne nicht so viel Schwachsinn treiben wie ich früher“
Sie haben ein Problem mit Flaggen und Hymnen, Reinhold Messner hat eines mit Gipfelkreuzen. Er hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass „man die Berge nicht zu religiösen Zwecken möblieren soll“. Was sagen Sie als Berg-Experte dazu?
Fuzzy Garhammer: Sehe ich anders. Der Berg hatte früher eine andere Bedeutung als heute. Früher war er ein Unheil für die, die dort gewohnt haben. Durch das Kreuz hat man den Berg wohlwollend gestimmt. Dann kam die Zeit des nationalen Alpinismus. Ein Kampf um die größten Berge der Welt. Mei, und dann steht da halt ein Kreuz. Ich habe also nichts dagegen, werde aber auch nicht auf die Knie fallen.
In Ihrer Ski- und Snowboardschule unterrichten Sie auch. Ist der Wintersport-Nachwuchs anders als früher?
Fuzzy Garhammer: Man merkt, dass die Kinder unsportlicher geworden sind. Sie sitzen zu viel rum, hängen an der Konsole. In den Ski-Camps werden die Handys eingesammelt und am Abend wieder für eine Stunde ausgeteilt. Wenn man so manchem 14-Jährigen das Handy abnimmt, dreht der durch. Meistens kann man sie gut überzeugen, dass sie daheim wieder trinken können. Vor allem gilt ja auf der Skipiste die 0-Prozent-Regel. Hält sich zwar keiner dran, aber theoretisch ist nüchternes Fahren natürlich Pflicht. Aber im Schnitt sind alle gut drauf und wegen des Sports da. Wir haben damals mindestens so viel gesoffen wie die jungen Leute heute.
Wie hat sich der Skitourismus in Ihren Augen verändert?
Fuzzy Garhammer: Der Senioren-Skilauf ist wichtiger geworden. Die Hütten sind teils automatisiert. Und einige Orte legen mehr Fokus auf Wellness. Aber das Erlebnis des Skifahrens selbst hat sich nicht verändert. Klar, die Skilängen sind anders. Und die Musik beim Après-Ski auch. Der Kaiserschmarrn und der Rotwein schmecken noch immer genauso gut.
Das klingt jetzt alles sehr gemütlich. Aber man muss ja sagen, dass Sie ziemlich viele waghalsige Sachen gemacht haben. Ihre Söhne sind sportlich auch aktiv. Wie ermahnt man, wenn man selbst in Sachen Vorsicht kein optimales Vorbild abgibt?
Fuzzy Garhammer: Einer ist Wellenreiter, der andere brettert beim Downhill-Mountainbike die Berge runter. Ihm habe ich mal gesagt, dass auch ein Zusammenstoß mit einem dünnen Baum verheerende Folgen haben kann. Da kam dann nur: Ausgerechnet du willst uns sagen, dass wir vorsichtig sein sollen? Seitdem halte ich mich zurück. Wenn ich damit anfangen würde, würden sie mich auslachen. Zu recht. Ich bin froh, dass die beiden nicht so viel Schwachsinn treiben wie ich früher. Das Leben ist eh kurz genug.
„Am ersten Tag auf dem Swingbo hat es mich öfters geschmissen als in zehn Jahren auf Skiern“
Ihr Bruder ist 1973 beim Drachenfliegen verunglückt. Hat das Ihre Einstellung verändert?
Fuzzy Garhammer: Nein, der Sinneswandel kam viel später. Direkt danach ging es eher besonders wild zu. Ein Jahr nach dem Unfall bin ich noch mit einem selbstgebauten Drachen von der Zugspitze abgeflogen. Wir wussten immer, dass das Risiko hoch ist und haben es akzeptiert. Aus der heutigen Sicht bewerte ich das anders. Aber es ist das Recht der Jugend, verrückte Dinge zu tun. Wäre zum Beispiel Klippenspringen zu meiner Zeit schon bekannter gewesen, wäre ich da sicherlich am Start gewesen.
Sie waren zu Ihrer Zeit Drachenfliegen und mit dem Schneesurfer unterwegs. Wie reagieren Menschen, wenn Sie Ihren Schneesurfer heute fahren?
Fuzzy Garhammer: Das Gerät zieht viele Blicke auf sich. Ich werde auch häufig darauf angesprochen. Die jungen Leute kennen es nicht mehr. Sie denken, dass der Opa – also ich – wahrscheinlich ein bisschen spinnt und mit einer neumodischen Erfindung unterwegs ist. Es werden jetzt noch ein paar Jahre vergehen. Aber die Schneesurfer-Zeit wird kommen. In zehn Jahren, zu meinem 80. Geburtstag zum Beispiel. Und nächstes Jahr wird es Ende März entweder in Südtirol oder im Salzburger Land wieder ein Treffen geben. Alle, die also noch ein Relikt im Keller haben, sind herzlich eingeladen.
Leben der Fuzzys
Fuzzy Garhammer wurde am 15. Oktober 1947 in Asenham (Niederbayern) geboren. Zusammen mit seinen fünf Brüdern und einer Schwester wuchs er auf einem Bauernhof auf. Seit 1981 ist er mit seiner Frau Maxi verheiratet. Die beiden haben zwei Söhne, Moritz und Max. Er ist Gründer der ersten Freeski- und Snowboardschule Europas und bietet seit 30 Jahren Jugendcamps an.