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Halfs: Unbeschwert wird ein Schuh draus

Ein Fall für zwei: Achim Wünsch (r.) und Luca Reinhardt führen das Label gemeinsam.

Ein Fall für zwei: Achim Wünsch (r.) und Luca Reinhardt führen das Label gemeinsam. © Fotos: Stefan Pabst

Mitten in München verkaufen Achim Wünsch und Luca Reinhardt von Halfs einen Bergschuh nach dem Vorbild bayerischer Haferlschuhe, wie sie vor mehr als 200 Jahren entstanden sind

Xaver“ ist ein eisenharter Typ. „Einer, der alles mitmacht“, sagt Luca Reinhardt. Ob in der Stadt oder in den Bergen, im Herbst oder im Sommer zur kurzen Hose, für Reinhardt ist der Bergschuh mit der ausklappbaren Eisenkralle meistens die richtige Wahl. Luca Reinhardt ist einer der Geschäftsführer von Halfs, einem Label für Haferlschuhe. Der Münchner Achim Wünsch hat es vor 25 Jahren gegründet und führt es heute gemeinsam mit Reinhardt. Seit rund 15 Jahren hat Halfs auch den „Xaver“ im Programm, einen besonders bequemen und strapazierfähigen Bergschuh.

Was mit einer Plauderei in der Londoner Modeboutique „Red or Dead” begann, ist heute eine feste Größe der Münchner Modeszene. Achim Wünsch, damals noch Student, kam mit Wayne Hemingway, dem Gründer des Kultladens, ins Gespräch. Der interessierte sich für die ungewöhnliche Schuhform, die Wünsch trug: vorn spitz, seitlich geschnürt, tief ausgeschnitten – echte bayerische Haferlschuhe. Mittlerweile gibt es Halfs an zwei Standorten in München, in der Rumfordstraße und in der Feilitzschstraße, direkt gegenüber dem Englischen Garten. In der Feilitzschstraße 35 lassen die Fenster viel Licht in den Verkaufsraum, auf dem hellen Holztresen steht Strandflieder in Lila. Im hinteren Teil des Ladens befindet sich die Werkstatt mit einem großen Arbeitstisch, an dem Luca Reinhardt gerade den Xaver aus dem Karton holt. Reinhardt, Jahrgang 1995, ist studierter Architekt. Firmengründer Achim Wünsch, geboren 1966, ist gelernter Maschinenbauer. Beide verstehen ihr Produkt, den Schuh, von innen heraus. „Ich habe während meines Studiums auch in der Produktion gearbeitet und dadurch ein sehr gutes Verständnis für den Schuh als Konstruktion bekommen“, sagt Wünsch. „Als Architekt fasziniert mich das Design. Es erinnert an eine Wandkonstruktion inklusive Dämmung“, sagt Reinhardt und zieht einen aufgeschnittenen Schuh aus dem Regal.

Keine halben Sachen: Bei Halfs in der Feilitzschstraße befinden sich Ware und Einrichtung auf höchstem Niveau.

Keine halben Sachen: Bei Halfs in der Feilitzschstraße befinden sich Ware und Einrichtung auf höchstem Niveau.

Er fährt mit dem Finger über Rahmen, Schaft und Futterleder und zeigt, wo sie miteinander vernäht sind. Bei den meisten der am Markt erhältlichen Wanderschuhe sind die Sohlen mit dem Oberteil verklebt, das spart Kosten und Gewicht – mit dem Nachteil geringerer Haltbarkeit. Sohlen lösen sich oft schon nach wenigen Jahren. Das ist ärgerlich. „Wenn die Sohle aufgenäht ist, kann das nicht passieren“, sagt Wünsch. Was für „Xaver“ gilt, gilt auch für „Richard“, „Zeno“ und die „Miesbacherin“: Halfs verbindet erstklassige Handwerkskunst mit hochwertigen Materialien. Der klassische Haferlschuh von Halfs ist aus einem Stück Leder genäht, hat einen schmalen Leisten und eine kastenförmige Spitze, damit der große Zeh gerade stehen kann. Während der „Xaver“ mittig geschnürt wird, wird die Schleife beim Haferlschuh seitlich gebunden, und zwar mit einem gebogenen Lederband, das aus dem gleichen Stück Leder wie der Schuh gestanzt wird. Damit die Schleife schön flach anliegt, bekommen Kunden von Halfs beim Schuhkauf eine Anleitungskarte mit nach Hause. „Xavers“ Ledersohle ist mit einer Vibramsohle aus Gummi verstärkt, die für Halt und Nässeschutz sorgt. Dazu kommt die Eisenkralle, die wie ein eingebauter Grödel aussieht – und für optimalen Halt bei Eis und Schnee sorgt. Die Außennaht von „Xaver“ kann immer wieder erneuert werden. Eine Konstruktion, die auf Langlebigkeit ausgelegt ist.

So weit die Füße tragen: Der Bergstiefel „Xaver“ macht fast alles mit.

So weit die Füße tragen: Der Bergstiefel „Xaver“ macht fast alles mit.

Als Student begann Achim Wünsch, Schuhe zu verkaufen. „Das Sprungbrett zum Haferlschuh“, sagt Wünsch, „war für mich das zwiegenähte Modell.” Als Jugendlicher habe er noch Sneakers getragen, doch nach langen Tagen darin kamen Rückenschmerzen, die Schuhe gaben keinen Halt.: „Wenn man einmal auf die rahmengenähte Machart umgestiegen ist, wird man wohl kaum mehr wechseln“, sagt er. Die rahmengenähte Machart, egal ob zwiegenäht, klassisch rahmengenäht oder auch mit Sturmnaht, ist Halfs‘ Spezialität, mit der sie ausschließlich arbeiten. Das ist auch die Basis für den Erfolg: Die Schuhe verkaufen sich so gut, weil sie passen – und zwar vielen Menschen mit den unterschiedlichsten Füßen.

Bei „Red or Dead“ in London beschlossen Achim Wünsch und Wayne Hemingway einst, die coolen Schnürer aus Bayern in die britische Hauptstadt zu bringen. Wünsch suchte eine Werkstatt, die zwei Saisons lang nach London liefert. Als Wünsch aus dem Geschäft aussteigt, um Halfs zu gründen, landet er bei dem Hersteller in Spanien, mit dem Wünsch und Reinhardt heute noch zusammenarbeiten. Die Firma hat etwa 120 Mitarbeitende und ist auf rahmengenähte Cowboystiefel spezialisiert, kennt sich also mit den spitzen Leisten aus, die Haferlschuhe und Cowboystiefel gemeinsam haben. In Spanien ist das Unternehmen so bekannt, dass auch High-Fashion-Labels ihre Ware dort produzieren lassen – handwerklich befindet sich Halfs in bester Gesellschaft.

Es ist wohl das Zusammenspiel von Materialqualität, handwerklichem Können und viel Liebe zum Detail, das Halfs so beliebt und langlebig macht. Zu ihren Kunden zählen Reinhardt und Wünsch viele Handwerker, Architekten, Ingenieure oder Kellner – Menschen, für die ein Schuh bequem und robust sein muss und trotzdem was her macht, wenn ein Treffen mit Geschäftspartnern oder Kunden ansteht. Beispiele für die Langlebigkeit von Halfs gibt es viele. Das sogenannte Museumsstück von Halfs trägt die Spuren von mehreren Tausend Kilometern auf der Sohle: Modell „Richard“ wurde von einem Zimmermann auf der Walz durch ganz Deutschland getragen. „Der Mann hat von uns einen neuen Schuh bekommen, das Original haben wir als Rarität behalten“, sagt Wünsch. Eine Dame fand die Eisenkralle von „Xaver“ so praktisch, dass sie sie immer aufgeklappt behielt. Nach einigen Jahren war das Stück so abgenutzt, dass es komplett ersetzt werden musste – für nur rund 40 Euro. Der Schuh sieht aus wie neu. „Wir können jeden Schuh retten“, sagt Luca Reinhardt.

Eine andere Dame kam mit dem Haferlschuh ihres Großvaters in den Laden, ein schönes Erbstück aus ochsenblutfarbenem Leder mit grüner Paspelierung. Ihr Wunsch: den Schuh des Großvaters in ihrer Größe. Weil Reinhardt und Wünsch einen ähnlichen Schaft im Repertoire hatten, montierten sie diesen auf einen Damenleisten. „Made to order“ nennt sich das Prinzip, mit dem jedes vorhandene Modell an die Wünsche eines Kunden angepasst werden kann. Wünsch ergänzt: „So produzieren wir auf Wunsch nur so viel, wie direkt verkauft wird. Generell versuchen wir, nicht zu viele Modelle zu haben und Sonderwünsche nach Bedarf anzufertigen.” Gerade diesen kreativen, handwerklichen Aspekt mag Luca Reinhardt an seinem Beruf. Das war schon früher so während der Ausbildung zum Architekten. „Ich verputze meine Wände auch gern selbst und hier bei Halfs repariere ich nicht nur Schuhe, sondern nähe auf Wunsch auch Portemonnaies und Gürtel.“ Da er selbst seit mehr als elf Jahren das Modell „Zeno“ trägt, ist er der ideale Botschafter für das Label. Kürzlich wurde er auf einer Italienreise vom Betreiber eines Foodtrucks auf seine robusten und eleganten Schuhe angesprochen. „Zeno“ ist auch für die italienischen Berge gut geeignet, schützt vor Gestrüpp, Steinen und sogar Schlangen. Außerdem machen die stilbewussten Italiener damit eine gute Figur. Mit deutscher Mode in Italien punkten – das muss man erst einmal schaffen.

Wie viele Münchner hat sich Luca Reinhardt in den letzten Jahren immer mehr der Tracht zugewandt und trägt die Lederhose nicht nur zur Wiesn, sondern auch im Alltag. Für jeden Tag gemacht, das ist der Ursprung der Tracht: Der Haferlschuh, 1803 von einem Oberstdorfer Schuster entwickelt, war ursprünglich ein Arbeitsschuh für Jäger, die beim Bergsteigen viel Platz für die Zehen brauchten. Als britische Reisende den seltsamen Stiefel ohne Schaft entdeckten, sollen sie ausgerufen haben: „But that is only half a shoe!“, also „Das ist ja nur ein halber Schuh!“. So entstand der Legende nach der Begriff „Haferlschuh”. Der Name des Labels, Halfs, spielt darauf an. Im Geschäft in der Rumfordstraße gibt es auch Strickwaren, Janker auf Bestellung, mit oder ohne Kapuze, und dicke Wollsocken, zum Teil handgestrickt. Die ältere Dame, die Halfs früher mit ihren Handarbeiten belieferte, ist inzwischen verstorben. Und der Sattler, der früher zuarbeitete, musste altersbedingt aufgeben. „Mit den Menschen geht auch das Handwerk verloren“, sagt Luca Reinhardt. „Aber wir arbeiten daran, dass etwas bleibt.“

Läden

Halfs
Feilitzschstr. 35
80802 München

halfs x
Rumfordstraße 35
80469 München

Mehr Infos unter halfs.de