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Hans Kammerlander weiß: Die beste Zeit in den Bergen ist jetzt

Das gibt’s nur in der Nebensaison: Hans Kammerlander im typischen Herbstlicht, im Hintergrund der Rosengarten.

Das gibt’s nur in der Nebensaison: Hans Kammerlander im typischen Herbstlicht, im Hintergrund der Rosengarten. © Fotos: Hans Kammerlander

„Vielleicht bringt uns das am Ende allen mehr“

SStau am Everest. Wer kennt die Bilder nicht? Dutzende Bergsteiger, die sich als Extremalpinisten ausgeben, stehen am höchsten Berg der Erde an, weil an diesem einen Tag mit bestem Wetterfenster das ganze Basislager aufgebrochen ist. Dann schmunzelt man aus der Ferne und sagt, ja, muss das denn sein? Dabei brauchen wir gar nicht so weit schauen, um Stau an den Bergen zu erleben. Es reicht schon, im Hochsommer in den Alpen unterwegs zu sein. Volle Parkplätze, volle Busse, volle Hütten: eher die Regel, nicht die Ausnahme.

Seit Jahren schon ist der August für mich eine Ruhezeit geworden. Ganz einfach, weil es nicht die beste Bergzeit ist: Die Blüte ist weg, die Temperaturen sind hoch, die Sicht in die Ferne diesig, die Gewittergefahr dafür gigantisch. Von den überfüllten Straßen gar nicht zu reden. Die klassischen Gebiete rund um die Hot Spots in den Alpen kannst du dann vergessen. Wenn ich Bergbegeisterte in die Natur begleite, mache ich das am liebsten im Herbst und Frühsommer. Die Leute haben viel mehr davon. Es ist die goldene Bergsteigerzeit, versprochen!

Wie schön die Nebensaison ist, das erlebe ich auch in Nepal immer wieder. Schon seit Jahren bin ich dort im Dezember und Januar unterwegs, also gerade dann, wenn das sonst kaum jemand macht. Wenn ich mit einer Gruppe in die Anhöhen aufbreche, erleben wir eine Fernsicht, die einen schlicht umhaut, so schön ist sie. Trekking in der Hauptsaison hingegen bedeutet vielleicht wärmeres Wetter, aber du siehst die 8000er ringsum gar nicht in dem diesigen Licht. Da ziehe ich lieber eine warme Jacke mehr an, als mit Hunderten anderen auf einem Trekkingpfad dahinzutrotten.

Goldene Bergsteigerzeit: Der Südtiroler führt eine Wandergruppe in den Dolomiten.

Goldene Bergsteigerzeit: Der Südtiroler führt eine Wandergruppe in den Dolomiten.

Dass die ganze Welt im Sommer loszieht, passiert ja nicht ohne Grund. Für Eltern von kleinen Kindern sind die Ferien bindend, das ist klar. Aber es liegt auch am Angebot. Manche Hütten, die ein beliebtes Ziel sind, haben nur wenige Wochen im Jahr geöffnet. Das muss sich ändern. Nehmen wir die Dreizinnenhütte. In der Hauptsaison herrscht dort der komplette Wahnsinn. Schlange stehen wie im Supermarkt für einen Apfelstrudel oder einen Teller Nudeln … Kein Wunder, bei Öffnungszeiten von wenigen Wochen im Sommer. Hier sollten sich die Verpächter, etwa die Alpenvereine, dringend Alternativen überlegen. Man muss ja nicht die ganze Zeit das volle Programm in der Hütte bieten, aber eine Anlaufstelle sollte sie sein, das schon. Auch Reinhold Messner sieht eine Chance darin, die Nebensaisonen zu fördern. Vielleicht bringt uns allen das am Ende mehr.

Dann müssen wir auch nicht mehr darüber diskutieren, ob wir Pässe sperren oder eine hohe Maut einfordern. Alles auf wenige Monate hin zu pushen, das ist nicht cool. In Südtirol wird viel und oft über den sogenannten Bettenstopp diskutiert. Natürlich könnten wir hier in manchen Wochen des Jahres noch viel mehr Gäste unterbringen, wenn wir die Kapazität dazu hätten. Aber viele andere Monate im Jahr ist die Auslastung nicht so hoch. Wegen ein paar Wochen mehr in der Hauptsaison muss man bestimmt nicht das ganze Land noch mehr verbauen.

Die Nebensaisonen mehr zu entdecken, bedeutet natürlich nicht, dass wir in der Hauptzeit schon zu viel und in der ruhigeren Phase noch mehr haben sollten. Es geht um die richtige Verteilung. Viele Bergliebhaber können auch außerhalb der Stoßzeit aufbrechen, sie müssen es nur wollen. Es ist ein Vorteil für jeden.

Der Extrembergsteiger

Der 1956 in Südtirol geborene Extrembergsteiger gehört zu den bekanntesten seines Fachs. Er stand auf 12 Achttausendern und meisterte als Erster eine von zwei Varianten der Seven Second Summits. In jeder Ausgabe von ALPS erzählt Kammerlander eine Geschichte, die ihn besonders geprägt hat.

Web: www.kammerlander.com