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Hansjörg Auer – ein Gipfelgespräch

Hansjörg Auer – ein Gipfelgespräch. Fisch Solo: An der Südwand der Marmolata hat Hansjörg Auer Alpingeschichte geschrieben

Fisch Solo: An der Südwand der Marmolata hat Hansjörg Auer Alpingeschichte geschrieben © Foto: Uli Wiesmeier

„Ich wollte die totale Kontrolle über mich selbst …

Mit gerade einmal 35 Jahren hat der Ötztaler Extremalpinist Hansjörg Auer schon viele alpine Meilensteine gesetzt und überrascht mit seiner charmanten Reflektiertheit. Ein Gespräch über Selbstzweifel, Egoismus und die Berge (ALPS Magazine #41 2/2019)

… aber die gibt es nicht“

Der „Weg durch den Fisch“ an der Marmolata-Südwand ragt fast senkrecht den brüchigen Fels in Richtung Himmel. 1981 schaffen es zwei Kletterer in 37 Seillängen zum ersten Mal nach oben. Bis heute gehört die Kletterroute zu den anspruchsvollsten in den Alpen. Dann kommt der 29. April 2007. Am Wandfuß nimmt ein der Kletterwelt bis dahin völlig unbekannter Typ aus dem Ötztal, schlaksig, Wuschelkopf, Brille, einen letzten Schluck Eistee aus seiner Flasche, schüttelt kurz seine Arme aus, schickt ein kleines Stoßgebet gen Himmel und klettert los. Alleine und ohne Seil schafft es der damals 23-Jährige in weniger als drei Stunden nach oben. Dass überhaupt jemand davon erfährt: reiner Zufall. Dass Hansjörg Auer an diesem Tag Klettergeschichte geschrieben hat: wohl nicht. Sein Weg zu den steilsten Wänden dieser Welt beginnt im kleinen Örtchen Umhausen in Tirol.

 
Du bist auf einem Bauernhof mit vier Geschwistern aufgewachsen. Wie hat dich das für dein späteres Leben geprägt?
Ich könnte jetzt den Klassiker rauslassen: harte Kindheit, wenig zu essen. Aber das würde es nicht treffen. Ich hatte zwar meine Aufgaben am Hof, aber meine Eltern haben recht schnell verstanden, dass ich nicht für die Landwirtschaft geschaffen bin. Den Wacholder, mit dem wir in unserer großen Selchküche den Speck geschmacklich verfeinert haben, habe ich aber immer gerne aus dem Wald geholt. Ich wusste, wo ich die besten Zweige finde und habe auf dem Weg dorthin ein paar Trainingsrunden eingelegt.

War Sport zuhause ein Thema?
Ausdauersport hat mein Vater immer schon mit einigem Fanatismus betrieben. In den 70ern gehörte er zu den besten Langläufern in Tirol, er war auch ein guter Hochgebirgsläufer. Wenn „seine“ Buben sich sportlich angestrengt haben, hat ihm das immer getaugt. Bergsteigen im Sommer, Langlaufen im Winter, das war für uns ganz normal. Mit Druck verbunden war das aber nicht.

Mit sechs Jahren standest du auf deinem ersten Dreitausender. Hat dein Vater dein Talent erkannt?
Ich glaube, er wusste, dass ich am meisten Biss hatte. Klettern war für ihn aber nie eine Option. In der 3. Klasse Hauptschule durfte ich zu einer Kletterwoche fahren, dieses Sich-Hinauf-Arbeiten am Fels, die Leichtigkeit der Bewegungen, hat mir auf Anhieb gefallen. Der Lehrer hat „6+“ auf meinen Arm geschrieben, auch wenn die Routen, die wir kletterten wohl etwas leichter waren.

Das Klettern wurde im Alter von zwölf Jahren fester Bestandteil deines Lebens.
Meine Technik war anfangs schlecht, aber ich war sehr motiviert. Einer meiner ersten Partner war Gerry Fiegl. Wir teilten uns eine Weile sogar ein Paar Kletterschuhe.

Wie war deine Schulzeit?
Wenn wir Fußball gespielt haben und nach und nach wurden die Gruppen gewählt, da blieb ich immer als einer der Letzten übrig. Ich war nie bei den Coolen. Das hat mich angespornt, stärker zu werden: Ich habe jeden Tag an meiner Ausdauer trainiert und mir so meine eigene Welt erschaffen. Eine, in der ich fit und stark war.

Wie reagieren die Coolen von früher, wenn du sie heute triffst?
Da kommt natürlich der Honig (lacht). Ich mache da aber niemandem einen Vorwurf, es war halt so und am Ende war ich wohl auch ein Stück weit immer ein Einzelgänger.

FREE SOLO
 
Warum bin ich so gerne alleine unterwegs? Diese Frage hat sich Hansjörg Auer oft gestellt. Sicher hat es einen Ursprung in der Kindheit als er im Klettern ein Ventil findet, etwas, in dem er gut ist, besser als die anderen. Und es ist sein Charakter. Wer sich alleine in solche Situationen und Wände wagt, muss sich selbst absolut vertrauen. Free Solo, das ist die Fokussierung auf den Moment, die Königsdisziplin, das Ende einer langen Entwicklung. Der Weg dorthin führt Auer über hunderte Kletterrouten, über Erst- und Winterbegehungen und erste Versuche ohne Seil, Absturz inklusive. Er führt weg vom sicheren Job als Lehrer, hin zum Berg und nichts als das, gegen alle Einwände. Ganz einfach, weil das sein Weg ist.
 
Profi: Hansjörg Auer gehört zu den besten Kletterern der Welt

Profi: Hansjörg Auer gehört zu den besten Kletterern der Welt © Foto: Elias Holzknecht

Du bist ausgebildeter Lehrer für Mathematik und Sport.
Nach nur einem halben Jahr in der Schule habe ich die Arbeit gekündigt. Natürlich waren meine Eltern nicht begeistert, und es war mir nicht egal, was sie sagten. Aber ich war schon immer einer, der weiß, was er will und seine Entscheidungen nicht hundertmal hinterfragt. Für mich stand einfach fest: Ich muss raus aus dem Job.

Das war mutig, zu dem Zeitpunkt konntest du noch nicht vom Klettern leben.
Das stimmt, aber für mich war es die einzig richtige Entscheidung. Meine Free-Solo-Tour an der Marmolata hat zwar für viel Aufsehen gesorgt, das Geschäft ist aber dennoch nicht krachend losgegangen. Im Nachhinein bin ich sogar froh darüber. Ich war damals sowas von überfordert, das wäre alles zu viel gewesen.

„Einer Frau verlangt es sehr viel Verständnis ab, mit mir zusammen zu sein“

Obwohl dir ein Husarenstück geglückt ist, hattest du Selbstzweifel. Warum?
Das Unglaubliche am Free Solo ist, dass man die totale Kontrolle über sich selbst erfährt. In der Situation denkt man, man hat alles in der Hand, selbst, ob von oben ein Stein kommt. Natürlich ist es nicht so, aber ich war überzeugt davon und musste es wohl auch sein, um so eine Aktion überhaupt andenken zu können. Schon in den Monaten zuvor war mein ganzes Leben aufs Klettern ausgerichtet, alles andere, auch die Lehrerausbildung, waren Nebenschauplätze. Erst wollte ich die totale Kontrolle über mich selbst beim Klettern. Dann griff es auf andere Lebensbereiche über. Dazu gehörte nicht nur, dass ich auf einmal den Staub im Waschbecken bemerkte. Ich fing an, mich über das Essen zu kontrollieren.

Die Situation nahm schnell bedrohliche Ausmaße an.
Diese Phase meines Lebens war schlimm. Oft vergaß ich zu essen, oft tat ich nur, als ob ich etwas zu mir nehmen würde. Meine Familie und gute Freunde machten sich Sorgen, aber ich war nicht wirklich zu erreichen. Ich war oft wütend, habe schnell geweint und fühlte mich depressiv. Kein Wunder, bei gerade einmal 56 Kilo.

In deinem Buch „Südwand“ gehst du offen mit dieser Zeit um. War es schwierig, diese Seite von dir zu zeigen?
2009 hätte ich das nicht geschafft. Aus dem zeitlichen Abstand heraus war es möglich, auch, weil ich heute weiß, warum es passiert ist. Mein Egoismus war damals wohl auf seinem Höhepunkt.

ANKOMMEN
 
Extremalpinisten gelten als mutig und stark – die weiche Seite zeigen die wenigsten, schon gar nicht in jungen Jahren. In der Phase müssen sie vielmehr ihren Platz finden. Das ist schwierig: Das Niveau ist gestiegen, viele aufsehenerregende Touren sind gemacht. Oder wie Hans Kammerlander sagt: „Wir haben den Jungen alles weggenommen.“ Hansjörg Auer hat es trotzdem geschafft, sich in die vorderste Reihe zu stellen, vielleicht oder gerade weil er so offen mit seinen Schwächen umgeht. Und weil er eine perfekte Spielwiese gefunden hat, fernab ausgetretener Pfade. Gimmigela Ost, Kunyang Chhish Ost, Nilgiri Süd: schwierige Berge, neue Routen, Höhenluft.
 
Teamarbeit: Mit Alex Blümel gelingt Auer die erste Begehung der Nordwand am Gimmigela Ost

Teamarbeit: Mit Alex Blümel gelingt Auer die erste Begehung der Nordwand am Gimmigela Ost © Foto: Elias Holzknecht

Muss ein Extremalpinist egoistisch sein?
Ich glaube schon, ansonsten hätte ich zumindest viele Aktionen gar nicht erst gemacht. Aber es gibt nicht nur den Berg – das musste ich erst lernen. Meine Mutter hat bitterlich geweint, als ich zum Fisch aufgebrochen bin. Aber ich konnte das damals nicht wirklich aufnehmen. Auch als ich es dann geschafft hatte, dachte ich: Was wollt ihr denn? Ist doch alles gut gelaufen.

Wirst du je im Basislager des Everest deine Zelte aufschlagen?
Eigentlich hoffe ich es nicht. Wobei das nicht heißt, dass mich diese Herausforderung nicht reizen würde. Es war für mich schon ein großer Schritt, erstmals einen Siebentausender anzugehen. Bei Bergen über 8.000 Meter geht es noch mehr um das Überwinden dieser magischen Grenze. Bisher habe ich für mich die rote Linie so gezogen, dass Achttausender nicht eingeschlossen waren. Ich lebe vom Alpinismus und manchmal muss man diese Grenzen auch links und rechts ein wenig ausloten.

„Natürlich empfinde ich auch Angst, ich schenke dem nur weniger Beachtung“

Kennst du das Gefühl von Angst?
Angst ist für viele ein negatives Gefühl. Aber es hat seine guten Seiten. Natürlich empfinde ich auch Angst, ich schenke dem nur weniger Beachtung. Ich glaube an den richtigen Moment. Ich suche mir den Tag für eine Tour aus. Wenn ich mich nicht danach fühle, lasse ich es – ich habe ja die Möglichkeit, an einem anderen Datum wiederzukommen.

Stresst es dich, wenn du unterwegs Videos drehen und Fotos machen musst, um die Sponsoren zufriedenzustellen?
Durch die Aktion an der Marmolata wurde ich fast aus dem Stand heraus bekannt. Ich musste mein Können nicht mehr ständig unter Beweis stellen. Das war mein Glück. Vom Fisch-Solo gab es nur die Aufnahmen eines Ehepaars, das auch zum Klettern dort unterwegs war. Ich habe die beiden am Vortag getroffen und war gar nicht begeistert, dass sie da waren. Ich wollte das alleine machen, ohne Zuschauer. Die Fotos der beiden gingen dann um die Welt. Freunde meinten: Willst du nicht selber ein paar Bilder machen? Wir sind dann nochmal dorthin und haben die Bilder an ein paar Schlüsselpassagen nachgestellt. Dass es Fotos und Aufnahmen von Aktionen gibt – das gehört heute einfach dazu. Am Anfang hat mich das manchmal gestresst, mittlerweile sehe ich das als Teil meines Berufes.

Nie wegen Social Media zu viel riskiert?
Mit Sicherheit, aber beim Autofahren, nicht am Berg. Unten im Tal lasse ich mich viel leichter ablenken.

Hast du einen Plan B?
Nicht wirklich. Für den Moment hoffe ich, dass ich noch ein paar Jahre einfach so weitermachen kann. Was das Profi-Geschäft betrifft, war ich schon mal am Beginn der Autobahn unterwegs, mittlerweile gefällt es mir auf der Bundesstraße besser.

WARUM
 
Wenn Menschen auf hohe Berge steigen, neue Routen wagen und an ihre Grenzen gehen, bleiben sie selten von Dramen verschont. Auch Auer muss diese Erfahrung früh machen. 2015 bricht er mit zwei Seilgefährten in den Himalaya auf, um die 1500 Meter hohe Südwand des Nilgiri zu besteigen. Das gelingt ihnen – zum ersten Mal überhaupt während viele andere Expeditionen zuvor gescheitert sind – doch Gerry Fiegl, sein guter Freund, bleibt am Berg zurück.
 
Hansjörg Auer im ALPS Interview

© Foto: Uli Wiesmeier

Das klingt, als hättest du dich schon ein wenig aus dem Wettkampfmodus verabschiedet.
Wenn ich den professionellen Alpinismus als Wettkampf sehen würde, dann hätte ich schon verloren. Es geht um die Frage, mit wie viel jemand zufrieden ist. Ich habe für mich einen guten Mittelweg gefunden. Und grundsätzlich zählt am Ende die persönliche Erfahrung, die man am Berg erhält, mehr, als ein besserer Kontostand.

Wenn ein Unglück am Berg passiert, werden Extrembergsteiger eigentlich immer mit der Frage konfrontiert: Warum macht man das überhaupt?
Es ist schwierig, jemandem zu erklären, warum wir tun, was wir tun. Und viele verstehen auch nicht, dass jeder, der sich in eine gewisse Höhe begibt, in Eigenverantwortung dort unterwegs ist. Natürlich ist eine Seilschaft ein Team; aber wenn es hart auf hart kommt, ist jeder auf sich alleine gestellt. Weil dort oben Situationen entstehen können, in denen du nicht mehr imstande bist, eine andere Person zu retten. Das wirkt auf viele hart, aber niemand geht leichtfertig damit um. Zudem ist man dort oben sehr reduziert unterwegs, der Spielraum ist sehr klein. Wenn du zu dritt aufbrichst und zu zweit zurückkehrst, verliert alles andere an Bedeutung. Es beschäftigt dich ein Leben lang.

LEBENSLINIE BERG
 
Seit dem 29. April 2007 kennt die ganze Kletterwelt Hansjörg Auer: Free Solo durchsteigt der damals 23-Jährige als erster Mensch die über einen Kilometer lange Route „Weg durch den Fisch“ an der Marmolata-Südwand und setzt damit einen alpinistischen Meilenstein. Überhaupt bewegt sich der Extremalpinist aus dem Tiroler Ötztal fernab ausgetretender Pfade: Erstbegehungen und Besteigungen plant er an unbekannten Bergen wie Gimmigela Ost, Lupghar Sar, Kunyang Chhish Ost und Nilgiri Süd. Letzterer verlangte ihm auch sonst alles ab: Nachdem er mit Gerry Fiegl und Alex Blümel den Gipfel erreicht hatte, verunglückte Fiegl beim Abstieg. In seinem Buch „Südwand“ (Malik) erzählt er offen von der schweren Zeit und gibt auch sonst einen ungeschönten Einblick in sein Handeln.
 
Frühstarter: Mit sechs steht Hansjörg Auer auf seinem ersten Dreitausender. Immer an seiner Seite: seine Brüder

Frühstarter: Mit sechs steht Hansjörg Auer auf seinem ersten Dreitausender. Immer an seiner Seite: seine Brüder © Foto: Privat

Was ist am Nilgiri passiert?
Gerry, der bergsteigerisch ein Ass war, ist höhenkrank geworden. Als das für uns klar wurde, war eine Umkehr über die gleiche Route wegen der Steinschlaggefahr nicht mehr möglich. Uns blieb nur der Weg nach vorne, hinauf zum Gipfel und über den Südwestgrat des Berges nach unten. Wir schafften es auf den höchsten Punkt und hielten uns dort keine fünf Minuten auf. Beim Abstieg ging es Gerry immer schlechter. Natürlich hatten wir von den Auswirkungen der Höhenkrankheit gehört, aber es ist etwas anderes, wenn man es miterlebt. Wir biwakierten noch einmal, gaben ihm alle Medikamente, die wir hatten. Leider besserte sich der Zustand nicht wirklich. Am nächsten Tag stürzte er beim Abstieg am Beginn einer Steilstufe ab.

War sofort klar, dass ihr ihn nicht retten könnt?
Ja. Ich bin zur Stelle hin und habe ins hunderte Meter tiefe Nichts geschaut. Alex hat mich dann weggezogen. Es ist schwierig zu erklären, was in uns vorgegangen ist. Auf einer Expedition ist man aufs Wesentliche fokussiert: Material, Essen, Trinken, Route planen, Schlafen. In dieser Fokussiertheit dauert es eine Weile, bis man den Ernst der Lage überhaupt begreift. Für Gerrys Eltern war es schwierig: Sie konnten nur unseren Erzählungen Glauben schenken. Es gab keinen Leichnam, niemand außer uns hat gesehen, wie sich der Unfall zugetragen hat.

Zurück in der Heimat hat man euch Kälte vorgeworfen.
Wir haben sicher Fehler gemacht, aber ich glaube, wir hätten es damals nicht besser gekonnt. Es war vielleicht eine Art Schutzmechanismus, das Erlebte erst einmal selbst zu verdauen. Es hat lange gebraucht, bis ich wegen Gerry weinen konnte.

„Meine Mutter hat bitterlich geweint, als ich zum Fisch aufgebrochen bin“

Gefühle zu zeigen war auch sonst lange Zeit für dich schwierig.
In meinen jungen Jahren war ich so weit weg davon, eine Freundin zu haben. Es ging immer nur um den Berg. Aber vielleicht war es auch gut so. Hätte ich früher eine Freundin gehabt, die ich geliebt hätte, hätte ich viele Aktionen vielleicht nicht gemacht. Es war auch oft so, dass gerade vor einer großen Tour eine Geschichte zu Ende gegangen ist. Meine Freundin, mit der ich jetzt schon einige Jahre glücklich bin, hat sich nach einer Aktion am Heiligkreuzkofel auch von mir getrennt. Wir kamen dann zum Glück aber wieder zusammen.

Warum hat sie Schluss gemacht?
Im Grunde, weil ich nicht ehrlich war. Ich bin die Tour, Mephisto, zuerst mit ihr ganz normal geklettert. Ein paar Tage später bin ich da heimlich nochmal hin und habe es Free Solo wiederholt. Die Art und Weise war echt blöd von mir, aber da war wieder viel von meinem Egoismus dabei.

Hast du mittlerweile gelernt, was du in eine Beziehung geben musst, damit sie hält?
Zeit, das ist der Schlüssel von allem. Und ich habe verstanden, dass es einer Frau sehr viel Verständnis abverlangt, mit mir zusammen zu sein.

Was fehlt dir zum Glück?
Kinder. Ich sehe heute vieles in einem anderem Licht. Die Beziehung zu meinen Eltern zum Beispiel. Früher war es mir nicht so wichtig, viel Zeit mit ihnen zu verbringen, aber jetzt immer mehr. Ich denke, mir ist erst am Berg die Endlichkeit so richtig bewusst geworden. Und deshalb möchte ich die wichtigen Dinge nicht aufschieben.

 
Anmerkung der Redaktion

Hansjörg Auer, David Lama und Jess Rosskelly, drei der weltweit besten jungen Alpinisten, sind im Banff-Nationalpark in Alberta, Kanada, von einer Lawine verschüttet worden. Der amerikanische Kletterer Jess Roskelley, 36, und die österreichischen Kletterer David Lama, 28, und Hansjörg Auer, 35, versuchten am Dienstag, den 16. April die M16-Route an der Ostwand des Howse Peak zu begehen, dem mit 3.295 Meter höchsten Gipfel der Waputik-Kette.

Die Verwaltung des Banff Nationalparks in den kanadischen Rocky Mountains teilte mit, dass die Leichen der drei verunglückten Bergsteiger Hansjörg Auer, David Lama und Jess Roskelley inzwischen gefunden wurden.

Das Trio war fast zwei Wochen lang zusammen in den kanadischen Rockies gewesen, nachdem es bereits den Mount Andromeda bestiegen hatte, bevor es sich am M16 versuchte.

Die Südtirolerin Verena Duregger traf Hansjörg Auer für die aktuelle Frühjahrsausgabe von ALPS zum Interview: „Hansjörg war besonders, und er wird fehlen, nicht als Ausnahmealpinist, der er ist, sondern vor allem wegen seiner menschlichen Art.“

Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen.

Jess Roskelley, aus Spokane, Washington, begann als Teenager im pazifischen Nordwesten Bergführer zu werden, nachdem er mit 20 Jahren den Mount Rainier 35 Mal bestiegen hatte. Roskelley war mit 20 Jahren der jüngste Amerikaner auf dem Gipfel des Mount Everest.
 
David Lama aus Innsbruck, Österreich, ist einer der weltweit stärksten Kletterer in jeder Disziplin. Im Jahr 2006 gewann er die Europameisterschaft im Lead Climbing, im Jahr 2007 die Meisterschaft im Bouldering und bestieg dann einige der schwierigsten Berggipfel der Welt. Im Jahr 2012 beendete Lama die erste freie Begehung der Kompressorroute auf dem Cerro Torre. 2018 bezwang Lama den bis dato höchsten unbestiegen Gipfel in Nepal, den 6.907 Meter hohen Lunag Ri.