Johanna Maier galt als beste Köchin der Welt. Dann verlor sie ihre Höchstnote. Vier Jahre später hat sie ihre Krise überwunden. Und will jetzt nur noch, dass wieder mit mehr Freude gekocht wird (ALPS Magazine #29 1/2016 Review)
Schon längst hätte man sich vom Frühstückstisch – selbst fermentierter Joghurt und Vitalsuppe – losreißen, zum Nebengebäude laufen und sich die mit Namen bestickte Schürze umbinden sollen. Doch da erzählt Dietmar Maier von Angela Merkel. „Dieser ganze Stress bringt doch nichts“, sagt er und sieht ein bisschen mitleidig Richtung Restaurant, wo die Kanzlerin manchmal sitzt und zwischen den anderen Gästen zu Abend isst. „Die Frau braucht ja auch mal ihre Ruhe. Sie soll hier einfach Mensch sein und sich entspannen. Wie zu Hause.“
„Familienküche und Genussklassiker“ stehen an diesem Tag auf dem Programm in der Kochschule von Johanna Maier im „Hotel Hubertus“. Jeden Donnerstag reisen bis zu zwölf ambitionierte Hobbyköche nach Filzmoos bei Salzburg, um von 10 bis 17 Uhr von der Jahrhundertköchin zu lernen. Was die meisten an dieser Stelle noch nicht wissen: Seit Johanna Maier den Verlust ihrer vierten Haube, der Höchstnote des Gourmet-Führers „Gault-Millau“, überwunden hat, geht es ihr längst nicht mehr nur um einen guten Teller.
„Stellt euch vor, wir haben Familienkochtag“, sagt Johanna und klatscht in die Hände. „Wir müssen also etwas machen, was allen schmeckt. Was ist das? Reiberdatschi!“ Johanna Maier, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ausgezeichnet mit zwei Sternen vom „Guide Michelin“ und vier Hauben vom „Gault-Millau“, als erste und bislang einzige Frau der Welt, gibt etwas Ascorbinsäure zu den Kartoffeln, damit sie schön gelb bleiben, und zwei Prisen von ihren selbst kreierten Kräutermischungen. Fertig. Kochen soll „easy“ sein, findet sie, „heute hat doch keiner mehr Zeit“.
„Kräuter sind oft wichtiger als die Speise, die sie würzen“
Gerade arbeitet sie wieder an einem neuen Kochbuch, das erklären soll, wie man die Gesundheit fördern und gleichzeitig der Seele Gutes tun kann. Um halb drei Uhr in der Nacht ist sie aufgewacht, hat im Bett gelegen und nachgedacht, wie sie das eigentlich anstellen will. „Wissen Sie“, hebt sie an, überlegt wieder und sagt dann nur: „Für mich ist Kochen einfach etwas anderes.“
Dass sie nie etwas anderes als kochen wollte, hat sie schon oft über die Anfänge ihre Karriere erzählt. „Aschenputtelhafter Aufstieg“ heißt es meist, wenn von ihrem Weg in die Spitzengastronomie die Rede ist, auch wenn sie das inzwischen nicht mehr so gern hört. Aufgewachsen ist sie in bescheidenen Verhältnissen in einem Nachbarort von Filzmoos, hat eine Ausbildung als Kellnerin gemacht und war bald verliebt in den Hotelierssohn Dietmar Maier. Seine Eltern sind wenig begeistert, als die beiden 1971 heiraten und das erste Kind bekommen. Johanna ist da gerade 20. Die nächsten Jahre kümmert sie sich um die Gästezimmer des Familienbetriebs.
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Infos zu Johanna Maiers Kräutern und Kochschule
Johanna Maier Kochschule
Kirchbichl 6
A-5532 Filzmoos
T. +43/(0)664 / 33 444 33
Web: www.johannamaier.at
Anmerkung der Redaktion: Das Restaurant und Hotel „Hubertus“ wurden 2022 verkauft. Johanna Maier konzentriert sich nun ganz auf ihre Kochschule und offeriert „Private Dinings“ bis maximal 20 Personen in ihrem Kochatelier in Filzmoos.
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Erst viel später, als sich die Schwiegermutter zurückzieht, darf Johanna die Küche übernehmen. Sie will anders, besser kochen als die Gasthäuser in der Umgebung. So gut wie die Brüder Obauer in Werfen, bei denen sie das erste Mal ein Menü aus der Spitzenküche probiert.
Obwohl der Betrieb im „Hotel Hubertus“ weitergeht und inzwischen drei Kinder zu versorgen sind, unterstützt Dietmar Maier seine Frau in ihren Plänen. Er schickt sie zu Praktika und Seminaren in die besten Restaurants der Welt, erst nach München zu Hans Haas, später bis nach New York und Hongkong, und lässt sie Abend für Abend vor dem Schlafen ihre Kochbücher auswendig lernen. 1987 bekommt sie ihre erste Haube vom Gault-Millau. Und ihr viertes Kind, Johannes.
Am Mittag kommt Johannes aus der Restaurantküche hinüber in das mit viel Glas und Kamin ausgestattete Nebengebäude, in dem die Kochschule untergebracht ist, um beim Anrichten der ersten Gänge zu helfen. Marinierte Rote Bete auf die Teller, Wildkräuter und Salate dazu, die in Panko, einem japanischen Paniermehl, gewälzten und kross gebratenen Saiblingsbällchen obendrauf. Rundherum machen sich ein paar Sprenkel von dem weißen Dressing aus Joghurt und Holunder gut. Nicht nur optisch: In ihrem Sahnebett werden die Bitterstoffe vom Radicchio etwas gezähmt, sodass auch der zarte Fisch Platz zum Entfalten findet.
Johannes soll seine Mutter Schritt für Schritt in der Küche des „Hubertus“ ablösen. Sie wird in diesem Jahr 65 und plant, sich auf ihre Kochschule zu konzentrieren. „Ich will mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben“, sagt sie. „Etwas dazu beitragen, dass in unseren Haushalten wieder mehr und mit Freude gekocht wird.“
Mit wie viel Hingabe Johanna Maier kocht, ist tatsächlich ansteckend. Je mehr Töpfe heiß werden, desto weniger merkt man ihr die unruhige Nacht an. Als ob sie zum ersten Mal Olivenöl in eine Pfanne gibt, sieht sie liebevoll dabei zu, wie das Fett von der Kelle läuft, sich verteilt, und wie anschließend die Scampi darin brutzeln. Die bekommen einen leichten Schubs mit den Fingern, sobald es Zeit zum Wenden ist.
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Und wenn Johanna in ihrem Schürzenkleid durch die Küche läuft und dabei ihr „Das wird alles sehr, sehr gut“ murmelt, dann ist das zwar auch ein Lob für ihre Schüler, gilt aber irgendwie vor allem ihren Zutaten. Sie findet nämlich: „Kräuter und Gewürze sind oft wichtiger als die Speise, die sie würzen.“
Dass Heilpflanzen sogar aus schweren Krisen retten können, hat sie selbst erlebt. 2012 strich der „Gault-Millau“ ihr die vierte Haube. Johanna suchte neue Perspektiven, verschwand für ein paar Wochen in ein indisches Kloster, lief den Jakobsweg ab und landete dann bei der Philosophie von Sebastian Kneipp und der TEH, der Traditionellen Europäischen Heilkunde, einem Pendant zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
„Die Frage, warum man eigentlich immer nur im Krankheitsfall an Heilkräuter denkt, ging mir nicht mehr aus dem Kopf“, sagt sie heute. „Heilkräuter sind ja keine Medikamente, sondern in erster Linie Nahrung mit hervorragender Nährstoffdichte.“ Inzwischen hat Johanna nicht nur ein Diplom in TEH abgelegt und einen Heilpflanzengarten neben der Kochschule angelegt, sondern auch ihren Ansatz in der Küche Richtung Gesundheit weiterentwickelt. Die fertige Rindssuppe zum Beispiel bekommt eine Infusion mit Angelikawurzel, die Scampi eine Auflage aus Vogelmiere – „pure Vitalstoffe!“
Hauben und Sterne sind ihr deswegen noch lange nicht egal, sagt Johanna Maier. Aber sie sei auch froh, mit der vierten Haube einen Teil des Drucks verloren zu haben. Sie fühlt sich freier. „Mir geht es jetzt um die Frage, inwieweit Ernährung das, was wir an Gutem haben, so lange wie möglich erhalten kann. Wie pflegen wir unsere Gesundheit so, dass es uns mit 90 Jahren noch Spaß macht, auf dieser Welt zu sein?“
Eine Idee gäbe es da ja schon, die Umsetzung dauert gerade mal fünf Minuten plus Backzeit: Schokolade mit Butter schmelzen, Eier, Zucker und Mehl dazu, nicht zu lange in den Ofen. Der Kern des Schokokuchens soll natürlich flüssig bleiben – es wirkt sehr entspannend, wie er beim Löffeln langsam herausläuft. „Wenn es die Seele gut hat, ist das der Schritt in die richtige Richtung.“ Gilt auch für Kanzlerinnen.
Saiblingsbällchen auf süß-sauren Winterrüben und Wildkräutern
3 Rote Beten gekocht und geschält, Wildkräutersalat (Vogelmiere, Radicchio, Vogerlsalat …)
Zutaten Marinade: Balsamico weiß, Zitronen- und Holundersaft etwas Kochfond von der Roten Bete oder Rind-/Geflügel-/Gemüse-Fond, Rote-Bete-Salz, Olivenöl
Zutaten Saiblingsbällchen: 200g Saiblingsfilet ohne Haut, je 1 TL Petersilie, Basilikum, Koriander und Dill, „Mediterranes Gewürz“ (Nr. 7), „Feines Fischgewürz“ (Nr. 2), „Ayurvedisches Masala“ (Nr. 4), nach Geschmack Sojasauce, 100g Fisch- oder Hühnerfarce, (Rezept siehe Kräuterroulade)
Zutaten Dressing: Sauerrahm, Naturjoghurt, Crème fraîche, Steinsalz, Holundersaft, Balsamico weiß, Weißweinessig
Zubereitung: Die Rote Bete raspeln und etwa eine halbe Stunde marinieren. Saibling klein schneiden und mit den restlichen Zutaten sowie der Farce pikant abschmecken. Bällchen formen, in Mehl, Ei und Weißbrotbröseln (am besten Pankobröseln) wälzen und im heißen Öl 4 Minuten ausbacken.
Nudeln mit Scampi auf Tomaten-Koriandersauce
Zutaten Scampi und Sauce: 12 Scampi, Olivenöl zum Anbraten, 200 ml Fisch- oder Gemüsefond, ½ kg reife, süßliche Tomaten, ½ Knoblauchzehe, Rosmarin und Zitronenthymian, Oliven, frischer Basilikum und Koriander, „Mediterranes Gewürz“ (Nr. 7), Chiliöl, Balsamico nach Geschmack
Zutaten Nudelteig: 250 g doppelgriffiges Mehl, 1 Ei, 4 Eigelb, 1 EL Olivenöl, ½ TL Salz
Zubereitung: Aus Mehl, Eiern, Öl und Salz einen Nudelteig kneten und in die gewünschte Form bringen (z.B. Tagliatelle). Scampi schälen, den Darm entfernen. Die Schalen in Olivenöl scharf anbraten, Knoblauchzehen, Rosmarin, Thymian und klein gewürfelte Tomaten dazugeben. Mit Fond auffüllen und Oliven dazugeben, 5 Minuten köcheln lassen.
Mit Gewürz, Basilikum, Koriander und Chiliöl abschmecken.
In der Zwischenzeit die Scampi in heißem Chiliöl mit Knoblauch und Rosmarin kurz kräftig anbraten. Die Tagliatelle in kochendem Salzwasser al dente kochen. Mit den Scampi und der Sauce servieren.
Gebratenes Milchkalb mit Reiberdatschi und Blumenkohlröschen
Zutaten Parmesankruste: 100 g Butter, 60 g Weißbrotbrösel, 15 g Parmesan, 1 Eigelb, „Feines Kräutergewürz“ (Nr. 11), „Elegantes Fleischgewürz“ (Nr. 3), je 1 TL Rosmarin und Quendel gehackt
Zutaten Kalb: 600 g Kalbsrücken, zugeputzt, Öl und Butter zum Anbraten, „Elegantes Fleischgewürz“ (Nr. 3), 1 Zweig Rosmarin, Lorbeerblatt
Zutaten Gewürzjus: 1 kg Fleischabschnitte vom Kalb/Rind, 500 g Röstgemüse (Staudensellerie, Sellerie, Karotten, Gelbe Möhren, Petersilienwurzel), 2 Tomaten, geviertelt, 1 EL Tomatenmark, 1 weiße Zwiebel, 1 große mehlige Kartoffel zum Binden, 2-3 EL „Elegantes Fleischgewürz“ (Nr. 3), 1 EL Maizena, je ¼ l trockener Rotwein und roter Portwein, Maiskeimöl zum Anbraten
Zutaten Reiberdatschi: 4 mehlige Kartoffeln, Maisstärke zum Stäuben, „Bauerngartensalz“ (Nr. 5), „Bunter Bergpfeffer“ (Nr. 1), fein gehackter Rosmarin, Öl zum Backen
Zutaten Blumenkohlröschen: 1 Blumenkohl, 50 g Butter, 100 g Semmelbrösel
Zubereitung: Für die Gewürzjus die Fleischabschnitte klein würfeln, in Öl anrösten, das klein geschnittene Gemüse sowie Gewürze dazugeben und mit 3 Liter Wasser, Rotwein und Portwein aufgießen. Einmal aufkochen lassen, dann leicht köcheln lassen, bis das Fleisch mürbe ist (2–3 Stunden). Sauce passieren und eventuell mit 1 EL angerührter Maisstärke binden.
Für die Parmesankruste Butter zerlassen und mit einem Schneebesen cremig rühren, Brösel, Eigelb und Parmesan dazugeben und mit den Gewürzen gut abschmecken. Zwischen zwei Bögen Backpapier ausrollen und kaltstellen, bis die Kruste fest ist. Danach in die gewünschte Form schneiden.
Für das Fleisch den Kalbsrücken mit Gewürz einreiben und in dem heißen Öl-Butter-Gemisch kurz anbraten. Mit einem Bratenthermometer versehen, auf ein Backgitter legen und in dem 90°C bis 120°C heißen Backofen garen. Wenn die Kerntemperatur 55°C bis 60°C erreicht hat, 20 Minuten bei 60°C ruhen lassen. Dann mit der Parmesankruste belegen und unter dem Grill kurz gratinieren.
In der Zwischenzeit die Kartoffeln schälen und grob raspeln, mit Gewürzen und Rosmarin würzen. Kurz stehen lassen. Ausdrücken und in die gewünschte Form bringen. Im heißen Öl beidseitig goldbraun anbraten. Die Blumenkohlröschen in Salzwasser al dente garen. Butter schmelzen lassen und Semmelbrösel einrühren. Über die Röschen geben.
Lauwarmer Schokokuchen mit Vanillesabayon
Zutaten Schokokuchen: 125 g Schokolade (Zartbitter), 125 g Butter, 3 Eier, 3 Eigelb, 95 g Zucker, 25 g glattes Mehl
Zutaten Sabayon: 250 g Sahne, 6 Eigelb, 40 g Zucker, Mark von einer ¼ Vanilleschote
Zubereitung: Für den Schokokuchen Schokolade und Butter schmelzen lassen. Mit Eigelb, Eier und Zucker verrühren, dann das Mehl unterheben. Porzellanschälchen zu ¾ mit der Masse füllen (wenn die Kuchen gestürzt werden sollen, müssen die Förmchen vorher gebuttert werden). Für 7 Minuten bei 150°C Umluft im Ofen backen. Der rohe Teig hält im Kühlschrank mindestens 3 Tage.
Für das Sabayon die Eigelbe mit Zucker mindestens 5 Minuten aufschlagen. Die Sahne erwärmen und die aufgeschlagene Eiermasse dazugeben. Zügig unter Rühren mit dem Schneebesen einmal aufkochen lassen. 2–3 Minuten leicht köcheln lassen und durch ein Sieb geben. Dann die Vanille einrühren.
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