Eine Genusswanderung im Kleinwalsertal offenbart die hohe Qualität lokaler Produkte. Und sie führt vor, wie fruchtbar es sein kann, wenn Tourismus und Landwirtschaft an einem Strang ziehen
Nachhaltigkeit ist ein arg strapaziertes Schlagwort. Doch wer mit Herbert Edlinger wandern geht, dem erschließt sich eine frische und höchst lebendige Perspektive. Jeden Donnerstag Vormittag schart der gelernte Koch und Wildkräuterexperte am Casinoplatz in Riezlern neugierige Gäste um sich. Das Vorhaben: ein Streifzug durch die Genussregion Kleinwalsertal. Das ist höchstes Niveau. Denn sowohl für Rindfleisch als auch für Wild trägt das nur vom Allgäu aus zugängliche Vorarlberger Hochtal die begehrte österreichische Auszeichnung für landwirtschaftliche Produkte. Edlinger aber geht es nicht nur darum, seinen Gästen ein bisschen Hintergrundwissen zu vermitteln. Der umtriebige End-Fünfziger will vielmehr den Blick dafür öffnen, wie Landwirtschaft unter den extremen Gegebenheiten einer Gebirgsregion überhaupt funktionieren kann.
„Oft hat man den Eindruck, als verfolgten Landwirtschaft und Tourismus völlig entgegengesetzte Interessen. Wenn es aber gelingt, dass sie ineinandergreifen, ergibt sich eine Win-win-Situation für beide“, erläutert er, während wir den rummeligen Ortskern von Riezlern hinter uns lassen. „In gewisser Weise profitiert der Tourist vom Landwirt, weil dieser die Landschaft gestaltet hat, die der Gast vorfindet“, setzt er hinzu und weist auf die Almwiesen rundum. Ohne die Bauern, die sie über Jahrhunderte hinweg gemäht und gepflegt haben, gäbe es sie nicht.
„Umgekehrt profitiert die Landwirtschaft auch vom Tourismus im Tal: Zum einen durch das Vermieten von Zimmern und Ferienwohnungen, zum anderen durch den Verkauf ihrer Lebensmittel. Das im Tal produzierte Fleisch zum Beispiel wandert zu 80 Prozent in die einheimische Gastronomie und Hotellerie. So trägt der Gästebetrieb unmittelbar zur Wertschöpfung vor Ort bei, der Bauer hat den Absatzmarkt quasi vor der Haustür.“ Ein Honigschlecken ist dessen Arbeit allerdings bis heute nicht. Beim Besuch in einem 150 Jahre alten Stall, den Edlinger bei jeder seiner Wanderungen einplant, wird greifbar, wie mühsam es früher war, auch nur ein paar Liter Milch zu gewinnen. Als Kontrastprogramm dazu steuert er danach einen modernen Biostall an. Doch weder das blitzende Chrom, noch die hochmoderne Melkanlage können darüber hinwegtäuschen, dass das Dasein als Bauer auch heute noch mit viel Einsatz fast rund um die Uhr verbunden ist.
Wieder im Freien, serviert Edlinger zum Abschluss der Tour eine Brotzeit mit Walser Spezialitäten. Und es liegt nicht nur am Blick auf die umliegenden Gipfel und an der würzigen Luft, dass Kaminwurzen und Wildsalami, Bergkäse und Bauernbrot schmecken wie das beste Essen der Welt. Dafür sorgt auch das neue Wissen um die Mühen, die hinter der Entstehung von Würsten und Käselaiben stecken – und natürlich die einzigartige Qualität, die handgemachten Lebensmitteln eigen ist. „Wenn jemand diesen Unterschied merkt, und auch versteht, warum solche Produkte ein wenig mehr kosten als Ware aus dem Discounter – dann habe ich mein Ziel erreicht.“
Infos zu den Kräuter- und Themenwanderungen gibt es unter www.einfachgut.at