Luis Trenker hat, was heute alle anstreben: eine echte Firmenphilosophie. Die fängt schon mit den Schuhen an
Wenn Michi Klemera die Frage hört, wie er zu Luis Trenker gekommen ist, muss er erst einmal schmunzeln. Weil er dann immer dieses Bild vor Augen hat: Wie sein Vater Erich in kurzen Cordhosen und kariertem Hemd vom Wandern zurückkommt und wieder einmal erzählt, dass ihm Touristen unterm Gipfelkreuz „Ah, der Trenker kommt“ zugerufen hätten. Das war eben damals die Assoziation, wenn man in den Bergen einem kernigen Typ begegnete. Schon damals verstand Klemera, dass Luis Trenker ein Sinnbild ist – für Menschen, die in der Natur aufgehen, die Südtirol lieben, die ihre Wurzeln spüren „Luis Trenker war irgendwie immer schon da.“
Und so musste Klemera, als er vier Jahre nach dem Tod des Bergsteigers und Filmemachers das Angebot bekam, mit dessen Namen etwas aufzubauen, nicht lange überlegen. Der junge Modeunternehmer hatte hochwertige Mode- und Schuhkollektionen in Italien vertrieben und wollte nun seinen Horizont ohnehin erweitern. Nur ein Jahr später gründete er in Bozen mit seinem Bruder die Marke Luis Trenker.
Und das ist erst der Anfang der Geschichte. Klemera, Henriquatre-Bart, offenes Lachen, entscheidet sich für einen ungewöhnlichen Weg. Er will mit heimischen Handwerksbetrieben zusammenarbeiten, hochwertige, langlebige Materialien verwenden. Er will Trends setzen und doch bleibende Werte schaffen. Und keinesfalls die Produktion in ein Billigland verlegen. Für den 56-Jährigen ist das der einzige Weg, glaubwürdig zu sein. „Die Menschen suchen die Natur der Berge auf, um zu entspannen. Luis Trenker ist ein Kind der Berge. Und unsere Mode ist es auch.“
Das Kompendium verwendeter Materialien liest sich wie ein Auszug aus einem Heimatroman. Der Loden kommt aus Schladming. Walkstoff von der Firma Moessmer aus Bruneck, die Hoflieferant war und schon Michelle Obama belieferte. Die Wolle der Villnösser Brillenschafe, die am Fuße der Geislergruppe mitten im UNESCO-Weltnaturerbe grasen, wird verwendet. Und weil sich Michi Klemera nie nur als Modemacher empfunden hat, baut er auch bei der Verarbeitung auf familiäre Seilschaften.
Seit über zehn Jahren ist Adriano Zorzi sein Partner für Schuhe. Der 55-Jährige leitet den Calzaturificio Tre Cime im Städtchen Altivole bei Montebelluna in der Provinz Treviso. Die Gegend hat sich seit Ende des Krieges den Übernamen „Zentrum der Bergschuhe“ erarbeitet. Es ist ein kleiner Familienbetrieb mit sechs Mitarbeitern, einst vom Großvater an den Vater übergegangen. Wann immer Stefano, Adrianos jüngster Sohn, Zeit hat, hilft er in der Firma mit. Der Fachhochschüler, 21, setzt die Ideen von Luis-Trenker-Chefdesigner Gionata Malagodi und Michi Klemera in Schnitt und Form um. Adriano greift ein Stück Kalbsleder aus dem Stapel und streicht mit der Hand drüber. „Es stammt aus der Toskana, ist pflanzlich gegerbt“, sagt er nicht ohne Stolz. Oft schneidet Gianni, der Schnittmeister, das Leder noch von Hand zu.
„Wir stellen unsere Schuhe nach einer alten Weise her, das entspricht genau dem Stil von Luis Trenker.“ Lavorazione ideal, so heißt die handwerkliche Verarbeitung, bei der Adriano Oberleder und Sohle mit einer aufwändig genähten Kappnaht verbindet. Chefsache. Die meisten Schuhmacher verzichten heute darauf, um Zeit zu sparen. Das kam für die Zorzis nie in Frage. Sie hielten daran fest und haben sich dadurch ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Das gefiel Michi Klemera. Denn was könnte besser zu Luis Trenker passen, als eine alte Herstellungsweise, die auf moderne Anforderungen angepasst wird?
Und die beiden verbindet auch die Liebe zu den Bergen. Schon als kleiner Junge ging Adriano mit der Familie in die Berge zum Wandern und hangelte sich durch „ferrate“, Klettersteige – ein beliebtes Hobby bei Italienern. Heute schnürt er die Bergschuhe mit seinen Kindern. „Und jetzt lässt sich das Hobby auch noch mit dem Beruf verbinden“, sagt er und nimmt einen Wanderstiefel in die Hand. Drei Stunden Arbeit, das meiste von Hand, stecken in einem Paar. Der Stiefel, umhüllt mit grauem Loden aus der Steiermark und mit knallroten Schuhbändern geschmückt, ist Teil der BERG-Kollektion. Für den begeisterten Skifahrer Michi Klemera war eine eigene Outdoorkollektion immer ein Ziel. Die Stücke sind funktional und so modisch, dass man in ihnen auch locker an der Champagnerbar anstoßen oder einen Stadtbummel machen kann. Wer sagt, dass ein Kleidungsstück nur auf eine Sache beschränkt sein muss?
Und damit schließt sich der Kreis zu Luis Trenker, der mit seinem Freiheitsdrang Grenzen überschritt. „Er ist mit genagelten Bergstiefeln auf den Marmorböden der Prominenz herumgehüpft und hat sein Ding einfach durchgezogen“, sagt Klemera und lacht. Spuren hinterlassen: Genau darum geht es. Damals wie heute.