Er gehört zu Deutschlands bekanntesten Designern. In Aschau im Chiemgau produziert Nils Holger Moormann Möbel und betreibt das Hotel „berge“. Für sein Lebenswerk wurde er 2015 mit dem Personality-Preis des German Design Awards ausgezeichnet
Glaubt man der Modedesignerin Vivienne Westwood, dann waren die Menschen noch nie so schlecht angezogen wie heute. Schuld daran sei vor allem eine Kultur der Konformität und des Wegwerfens: „Niemand denkt mehr nach. Wir saugen alle lauter Zeug auf, wir sind darauf trainiert worden, Konsumenten zu sein, und wir konsumieren alle viel zu viel.“ Früher seien die Menschen viel besser angezogen gewesen, sagt Westwood, die für ihre Exzentrik bekannt ist. Ihr Aufruf sei deshalb: „Kauft weniger, sucht gut aus, achtet darauf, dass es länger hält.“
Und beweist Geschmack, möchte man anfügen. Da sich aber über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, stellt sich die Frage: Was ist eigentlich gutes Design? Für den vielfach ausgezeichneten Designer Nils Holger Moormann wird allein schon das Thema Design an sich extrem unterschätzt: „Der Begriff ist leider inflationär kaputt gemacht worden. Design ist nicht die große Show machen, sondern sich jedes kleine Detail angucken.“
Moormann handelte deshalb immer nach der Maxime, dass man als Designer seine Ideen nicht nur umsetzt, sondern Prozesse ernsthaft hinterfragt. Wenn er zum Beispiel eine Schraube entwirft, überlegt er, wo kommt die hin? Denn Moormann interessiert: in welchem Kontext steht sie? Könnte man sie auch anders machen? Er versucht, durch Chaosdenken neue Antworten zu finden. Lange hat Moormann nichts anzufangen gewusst mit seiner Kreativität. Auf einer Autofahrt erzählt ein Anhalter dem Jura-Studenten von befreundeten Architekten in München, die Stahl- statt Holz-Möbel produzieren wollen. Er beschließt spontan, sich das anzusehen. Und ist sofort begeistert. „Ich wusste in einer Sekunde: Das ist es, darauf hast du gewartet.“
1982, im Alter von 29 Jahren, gründet er mit 1000 Mark in der Tasche und ein paar unausgegorenen Design-Ideen im Kopf eine eigene Firma, die nach einigen Anlaufschwierigkeiten für ihre Kipp-Schuhschränke bekannt wird und mit einem Regal von Wolfgang Laubersheimer den Durchbruch schafft. Wobei Moormann von Anfang an klar ist, dass er eine Möbelkollektion erstellen, aber die Möbel nicht selbst bauen möchte, da ihm das Risiko einer eigenen Produktion zu groß erscheint.
Also produziert er aufstrebende Jungdesigner und vertreibt deren Möbel. Eine Firmenphilosophie, die bis heute gilt: Wenn ein Designer für Moormann einen Entwurf in Massivholz macht, dann findet dieser ein Partnerunternehmen, das den Entwurf perfekt umsetzen kann. Wenn das Möbelstück aus Aluminium sein soll, findet Moormann eben einen, der genau das perfekt kann. Das Gestell für das Biertischmöbel „Kampenwand“ zum Beispiel fertigt ein Kunstschmied aus Aschau, wo Moormanns Firma sitzt, die Vollholzbearbeitung macht dagegen ein anderer Betrieb aus dem Chiemgau.
Apropos Chiemgau. Seit 1992 lebt und arbeitet Moormann nun in einem Bauernhaus in Aschau – mit knarzenden Holzbohlen und Geranien vor dem Fenster. Im Laufe der Jahre ist es ihm gelungen, ein Umfeld zu schaffen, in dem er Produkte entwerfen und produzieren kann, die Charakter haben und sich verkaufen lassen. „Ich will nicht einfach Trends folgen“, sagt Moormann bei einem Milchkaffee in seinem Büro. Und fügt hinzu: „Ich stelle die Suche nach vernünftigen Produkten und neuen Lösungen in den Vordergrund. Was mich reizt sind im besten Sinne Möbelerfindungen und nicht der Tisch mit fünf Beinen, nur weil sich Fünfbeintische gerade gut verkaufen.“
Nur dann, wenn ein Entwurf eine deutliche Verbesserung ist und nicht nur ein neues Styling verspricht, setzt Moormann ihn um. Denn nur der echte Produktvorteil reizt den gebürtigen Schwaben. Dabei ist es Moormann am liebsten, wenn sich dieser Vorteil schnell erschließen lässt – zum Beispiel, dass man mit diesem Bett problemlos umziehen kann. Manchmal sei es auch Zufall, dass ein von ihm entworfenes Möbelstück in Serie gehe, sagt der Ein-Meter-Neunzig-Mann. Bestes Beispiel: der Sessel „Bookinist“. Entstanden, weil Moormann gerne am offenen Kamin sitzt und liest.
„Wenn es mir zu warm wurde, schob ich meinen Stuhl vom Feuer weg. Wurde es mir zu kalt, rückte ich ihn wieder etwas heran. Dabei störte mich das ständige Hin- und Herrücken. Was lag also näher als ein Sitzmöbel mit Rad sowie Lampe und Stauraum für Lesezeichen, Lupe und Bleistift zu entwerfen?“ Um nicht den ganzen Tag am Stand auf der Möbelmesse stehen zu müssen, nahm er den „Bookinist“ mit nach Mailand. Es dauerte nicht lange, da stand der erste Interessent fasziniert vor dem Möbel. Beim dritten Kunden, der es kaufen wollte, fing Moormann an, darüber nachzudenken, was er dafür verlangen könnte. Zurück in Aschau hatte er ein Dutzend davon verkauft.
Auch in Sachen Vertrieb verfolgt der Designer eine ganz eigene Strategie: er beliefert nur Geschäfte, die seine Haltung teilen. Neuanfragen lehnt er meist ab. Stattdessen investiert er in seine Verkaufsabteilung, damit „seine“ Händler jederzeit einen kompetenten Ansprechpartner haben und deren Bestellungen so schnell wie möglich geliefert werden können. Als bodenständiger Geschäftsmann hat Moormann zudem alle Firmenimmobilien in Aschau gekauft. Auf einem Grundstück samt Hotel im Ortskern wollte er vor einigen Jahren eine neue Firmenzentrale errichten, doch ein Nachbar verklagte ihn und ließ es ihm untersagen. Statt sich weiter zu streiten, baute es der findige Unternehmer zu einem kleinen Gästehaus namens „berge“ um. Dessen Markenzeichen: kein Internetzugang und ein Design im typischen Moormann-Stilmix zwischen Reduktion, Rustikalität und Ironie. „Man muss auch Dinge tun, weil sie Spaß machen, Humor haben, einfach genial sind“, sagt Moormann. „Man muss nicht immer an das Geld denken.“
Nils Holger Moormann GmbH
An der Festhalle 2
83229 Aschau im Chiemgau
T. +49/(0)8052/90 45-0
Mehr Informationen unter www.moormann.de