Nebel, Kälte, schlechte Laune? Dann gibts ein Rezept gegen den gefürchteten Novemberblues, das wirklich hilft: Berge, Sonne und Bewegung …
November. Er ist bekannt als Übergangsmonat, als Winterüberbringer und als nebliger Stimmungskiller. Wenn wir in den Tälern die Hände nicht mehr vor Augen sehen können, scheint in den Höhenlagen der Berge oft ganztags die Sonne. Die heutige Tour befindet sich inmitten der Lechtaler Alpen, der größten Gebirgsgruppe der Nördlichen Kalkalpen. Durch die südseitige Ausrichtung scheint die Sonne nahezu den ganzen Tag. Der „Hönig“ ist zudem ein ganz besonderer Berg, denn er vereint alles, was man als Wanderer sowie Bergsteiger sucht: eine abwechslungsreiche, kontrastreiche Landschaft, tolle Ausblicke, wenig Frequentierung und mehrere Gipfeloptionen, die je nach Kondition ausgebaut werden können.
Für das verlängerte Wochenende kündigt sich Besuch an. Meine Eltern haben die wochenlange Nebelsuppe in München satt und möchten die letzten Bergtage im Sonnenschein bei mir in der Region genießen. Zwei Tage Bergsteigen, einen Tag Klettern, so unser Plan. Am ersten Tag steigen wir auf den überaus aussichtsreichen Panoramagipfel des „Thaneller“ (2.341 m) in den östlichen Lechtaler Alpen bei Berwang. Nach 1100 Höhenmetern erstreckt sich vor uns ein grandioses Gipfel-Meer mit Zugspitze, Wettersteinmassiv, Ehrwalder Sonnenspitze, Karwendel, Lechtaler Alpen, Vorarlberg, Ötztaler … Es ist kein Ende in Sicht! Was in der Umgebung rund um Bergwang hervorsticht, das sind dabei nicht nur die schroffsten oder die höchsten Berge. Es sind vielmehr einige lange, steile Wiesengrate, die ihren ganz eigenen Charakter besitzen. Fasziniert von ihrer grasigen Eigenheit, möchte ich natürlich sofort wissen, mit was für Exemplaren ich es hier zu tun habe!
Auf Komoot werde ich fündig: Es ist der überaus ästhetische Verbindungskamm vom „Hönig“ zur „Vorderen Suwaldspitze“, der sich von seinem felsigen Nachbarn in seiner Form stark zu den Steinbergen ringsrum abgrenzt. Dort möchte ich rauf! Nach der schönen Tour auf den italienisch klingenden „Thaneller“ informiere ich mich über die Besteigungsmöglichkeiten des Hönig bzw. der Suwaldspitzen. Möchte man über den langen Kamm wandern, bietet sich als Ausgangspunkt der kleine Weiler „Brand“ (1.356 m) bei Berwang an. Um auf den Hönig zu gelangen, müssen im Aufstieg ca. 800 Höhenmeter und 6 Kilometer zurückgelegt werden. Somit kann ich diese reizvolle Bergexkursion als einfache Wanderung deklarieren, welche in insgesamt 4 Stunden zu absolvieren ist. Wem das nicht genügt, kann anschließend über das „Wetterkreuz“ und den „Sonnbergsattel“ auf die „Vordere und/oder Hintere Suwaldspitze“ (2.155 m) steigen. Eine sehr lohnende Erweiterung, da nur etwas schwerer. Landschaftlich wunderschön sowie kaum frequentiert!
Wir starten am kleinen Parkplatz, der in der ersten Kurve in östlicher Richtung hinter dem Weiler „Brand“ liegt. Auf dem Wanderschild stehen aufgelistet: die bewirtschaftete „Kögele-Hütte“ (40min), der „Rastkopf“, der „Sattelkopf“ (1 h) sowie der „Hönig“ (2:15 h). Das Nachbardorf „Rinnen“ ist in ca. 45 Minuten erreichbar. Der Wanderweg beginnt hinter dem Gasthof „Alpenruh“ und schlängelt sich anfangs über eine breite Skipiste empor. Auf dem freien Gelände steigen wir auf einem gut ausgebauten Pfad über gelbe Grashänge und entlang leuchtender Lärchenwälder. Es könnte Herbst sein! Der Weg ist gesäumt von Bänken, die zum Verweilen und Schauen einladen. Nach einer halben Stunde erreichen wir auf einer aussichtsreichen Kuppe einen großen Jägerstand, der den eingeritzten Initialen nach zu urteilen, auch gerne von Verliebten als Sonnenuntergangsspot genutzt wird. Das Bankerl darunter dient uns zum Verschnaufen, bevor der Weg in den Wald hineinführt und merklich steiler wird.
Nach 20 Minuten wandern wir über eine liebliche Almwiese, wo sich seltene Wollgräser tummeln und einige Scheunen zum Aufbewahren von Heu dienen. Wir bleiben vor einer Gabelung mit Wegweisern stehen. Laut Zeitangabe ist man von hier in wenigen Minuten bei der urigen „Kögele-Hütte“. Die im Sommer wie Winter bewirtschaftete Almhütte erreicht man in den Wintermonaten mit Skiern über die Skiabfahrt der Panoramabahn „Rastkopf“ von Berwang aus, mit Schneeschuhen oder Tourenski im einfacheren Gelände über den Ort „Brand“, unserem Ausgangspunkt. Sie bietet zum Übernachten Platz für 16 Personen an, mit der Option auf einfache Zimmer oder Lager. Auf der Sonnenterrasse wird regionale, deftige Tiroler Hüttenkost angeboten. Von 19.12.24 bis 23.03.25 kann täglich von Montag bis Sonntag von 9:00 bis 16:30 Uhr eingekehrt werden. Sie ist auch im Sommer ein beliebtes Familien-Wanderziel von „Berwang“ oder „Rinnen“ aus. In der Übergangszeit hat die Hütte geschlossen. Für uns gehts am Wegkreuz rechts weiter.
Wir queren ein langes Stück am Berghang entlang, bis wir den Aussichtsspot des „Rastkopf“ erreichen, welcher sich versteckt hinter Bäumen auf einer freien Wiesenkuppe befindet. Dieser Panorama-Platz lädt zu einer kleinen Brotzeit ein, um sich für den steileren Endspurt hinauf zum Kamm des Hönig nochmals zu stärken. Von hier aus sollte bis zum Gipfelkreuz mit einer Stunde Gehzeit gerechnet werden. Wer zum Kamm hinaufschaut, wird in Anbetracht der Steilheit vielleicht einen kurzen Seufzer der bevorstehenden Anstrengung loslassen. Doch keine Sorge! Der knackige, direkte Einstieg in den Hang löst sich nach ein paar Metern in Form vieler, gut angelegter Serpentinen auf. An dieser Stelle ein großes Lob an die Wegearbeiter der „Tiroler Zugspitz Arena“. Sie haben an diesem Berg vorbildliche Arbeit geleistet. So sind die Pfade durchwegs moderat und gleichmäßig in der Steigung angelegt und mit ausreichend Markierungen sowie Wanderschildern versehen.
Auch an Möglichkeiten zum Rasten wurde nicht gespart. Somit können Kinder oder ältere Menschen, in Etappen eingeteilt, mit etwas mehr Zeitbedarf, den Gipfel des Hönig erreichen. Waren wir bis jetzt alleine unterwegs, sehen wir nun oberhalb der Baumgrenze einige Familien im steilen Wiesenhang. Serpentine für Serpentine schrauben wir uns mit ihnen hinauf. Dabei überholen wir Eltern mit fitten Kindern und solche, die ihre Kleinsten noch als Zusatztraining in der Kraxe hinauftragen müssen. Sehr warm ist es südseitig in der November-Sonne. Somit kommen alle Gipfelaspiranten ganz schön ins Schwitzen. Schnell gewinnen wir an Höhe und haben eine immer bessere Aussicht. Westlich von uns blicken wir auf die hügeligen Almwiesen der urigen Kögele-Hütte, gegenüber befinden sich die bizarren Spitzen der Tannheimer Berge. Richtung Reutte spiegelt der mystische dunkle „Rotlechstausee“ die Gipfel in seinem azurblauen Bergwasser wider. Dieser Bildausschnitt könnte dramaturgisch ohne Probleme einem Romantik-Gemälde von Caspar David Friedrich entspringen … Tipp: Der Stausee kann ab Berwang oder Rinnen in 2,5 -bis 3 Stunden umwandert werden.
Gleich ist es geschafft! Oben am Kamm machen mein Papa und ich im Windschutz einer kleinen Wetterwarte Pause, um auf unsere Nachzüglerin zu warten, die ein entspannteres Tempo anschlägt. Von hier ist das Gipfelkreuz schon gut zu erkennen und nur noch einen Katzensprung entfernt. Es ist erst Mitte November, doch die Temperaturen haben sich in der Höhe schon merklich abgekühlt. Südseitig kann zwar noch im T-Shirt gewandert werden, allerdings macht sich die kühle Luft in freien Lagen mit frischem Wind bemerkbar. Daher haben wir ab Oktober immer einen durchdachten Kleidungsmix, in Form einer wärmenden Zwiebelschicht am Körper und im Rucksack. Darunter befinden sich für die Jahreszeit auch Mütze und Handschuhe, sowie eine Stirnlampe, die für den Fall der Fälle obligatorisch mitgeführt wird. Ich fröstle, also schnell umziehen! Nasses Shirt gegen in trockenes tauschen. Darüber eine Fleecejacke, über die eine dünne, windabweisende Jacke gezogen wird. Bei Bedarf gibts noch eine Daunenjacke. Sicher ist sicher.
Warm eingepackt kann es nun dem Wind trotzend, über den ungemein aussichtsreichen Gratrücken gehen. Wir haben das Gipfelkreuz im Visier, vor dem einige schwarze Punkte auszumachen sind. Nicht nur wir haben uns dieses sonnige Panoramaschmankerl rausgesucht. Nach dem reizvollen Zustieg über die freie Piste, durch Gelb verfärbte Lärchenwälder und über Almwiesen, wandern wir nun auf dem breiten Kamm zum Hönig. Der unscheinbare „Sattelkopf“ wird von uns überschritten, der sich im Bereich der gigantischen Lawinenverbauungen befindet. In rostigen Rottönen umspannen sie den gesamten Nordhang der Steilwiesen, um den darunter liegenden Ort „Berwang“ vor einer Lawinenkatastrophe zu schützen. Sechs Jahre dauerte der Ausbau. Ganze 4,6 Millionen Euro wurden in das Projekt zur Absicherung gesteckt. Im Winter mit Skiern auf den Gipfel zu steigen, ist dennoch eine beliebte Unternehmung, auch wenn das in Anbetracht der genannten Lawinengefahr eher selbstmörderisch klingt. Die Skitourenroute verläuft auf einem weniger gefährdeten Abschnitt, um diese kritische Zone herum, sollte aber trotzdem nur von erfahrenen Tourengehern in Betracht gezogen werden.
Wir erreichen zu dritt das hübsche Edelweiß-Gipfelkreuz. Auf dem Holzbankerl lassen wir uns die Brotzeit schmecken und uns von den warmen Sonnenstrahlen verwöhnen. Das Panorama ringsum kann sich sehen lassen! Auch der Hönig persönlich könnte mit seinem anmutigen, lang gezogenen Grat einen Schönheitspreis gewinnen. Grate per se sind eine interessante Bergformation, vor allem für Alpinisten, da sie meistens einen wilderen Charakter aufweisen. Sie sind oft felsig, luftig, abenteuerlich, fordernd. Damit treffen sie genau meinen alpinen Geschmack. Manche Grate können ohne Sicherungsmittel begangen werden, quasi solo. Wieder andere lassen sich nur mit Seil begehen, da im I bis III Grad oder schwerer geklettert werden muss. Diese Spezies findet man vor allem in den hohen Lagen der Westalpen vor. Die Obergabelhorn-Überschreitung via Arbengrat (4.062 m), die ich vor ein paar Jahren zusammen mit einem Schweizer Bergführeranwärter machen durfte, war mit Abstand mein Berggrat-Highlight.
Heute zeigt sich mir ein ganz anders Bild. Wiesen- oder Grasgrate sind seltene Exoten, die vornehmlich im Allgäu anzutreffen sind, oder teilweise in den Lechtaler Alpen in Tirol. So wie dieses Exemplar hier. Der Hönig ist meinen Augen kein Gipfel im eigentlichen Sinne. Schließlich verfügt der Berg über keine Spitze, keine auffällige Kuppe und ist auch nicht kegelförmig, sondern flach und lang. Es gibt nicht diesen einen markanten höchsten Punkt, den wir meistens vorfinden und wir automatisch als Gipfel, das Ziel deklarieren. In einem Auf und Ab laufen wir auf dem ästhetischen Rücken des Berges, bis wir in der Mitte das Kreuz vorfinden. Folgt man dem Grat Richtung Osten weiter, könnten wir die „Vordere- sowie Hintere Suwaldpitze“ besteigen. Von oben betrachtet ist der Hönig ein langer Kamm, welcher am Ende in eine Spitze übergeht. Doch wollen wir mal nicht so sein. Der Hönig ist auch ohne die typische Gipfelpyramide ein wunderschöner Berg, den es lohnt, ins Visier zu nehmen! Gemütliche Grasmulden für einen kleinen Powernap gibts jedenfalls zur Genüge.
Wanderung Exposition // Süd/SW Fakten // 800 Höhenmeter, 11 Kilometer // Zeitbedarf gesamt: 3,5 – 4 Stunden
Schwierigkeit // Leicht
Land // Tirol, Lechtaler Alpen
Orientierung // Vom Parkplatz ein Stück die Straße hoch und vor dem „Gasthof Alpenruh“ den Schildern „Sattelkopf, Hönig“ Richtung Norden folgen. Hinter dem Gasthof auf der Skipiste in moderater Steigung auf dem Wanderweg empor bis zum Jägerstand mit Panorama-Bank. Anschließend durch den Wald steiler werdend zur Weggabelung, wo wir rechts den Hang queren. Am Ende erreicht man den Aussichtspunkt „Sattelkopf“, von dem es im sonnigen Grashang in vielen Serpentinen bis zum Anfang des Graskammes geht. Nun dem breiten Rücken in einem Auf und Ab folgen, bis das wuchtige Holzkreuz des „Hönigs“ auf 2.034 Metern erreicht wird. Nun weiter bis zum Wetterkreuz Joch. Aufstieg wie Abstieg.
Wer möchte, kann hinab in den „Sonnbergsattel“ steigen und den Gipfel der „Vorderen Suwaldspitze“ (2.155 m) mitnehmen. Diese Verlängerung ist allerdings nur mit ausreichend Trittsicherheit empfehlenswert, da die Querung in der sehr steilen Wiesenflanke nicht nur bei Nässe gefährlich werden kann! Ansonsten ein schönes Zusatz-Schmankerl.
Anreise // Von München kommend auf der A95 nach Garmisch-Partenkirchen. Weiter nach Ehrwald, Berwang, durch Rinnen hindurch bis nach Brand.
Parkplatz // Parkbucht in der ersten Kurve nach dem Ort Brand.
Kosten //–
Anreise Öffentlich // Vom Münchner Hbf mit der RB6 nach Garmisch-Partenkirchen. Dort umsteigen in die Regionalbahn 60 Pfronten-Steinach, bis zur Station Lähn/Bichlbach Bahnhof. Weiter mit dem Bus 5 in Richtung Berwang-Brand, bis zur Endstation Brand. Zeitbedarf hoch: ca. drei Stunden.
Ausrüstung // Wanderschuhe, Brotzeit, Stöcke, Kamera.
Beste Jahreszeit // April bis November (bei Schnee und Nässe meiden!)
TIPP // Die Besteigung der „Vorderen Suwaldspitze“. Folgt man dem Wiesengrat weiter, gelangt man nach dem Wetterkreuz zuerst zum „Sonnbergsattel“, wo es hinunter nach Bergwang geht, bevor der Pfad ein gutes Stück unterhalb des felsigen Gipfelaufbaus der Suwaldspitze im ausgesetzten Gelände quert. Es werden somit noch gut 200 Höhenmeter drangehängt. Mit den Gegenanstiegen zurück zum Hönig summiert sich die Höhenmeteranzahl auf rund 1100, sowie 13 Kilometer Wegstrecke. Landschaftlich ist diese Zugabe sehr reizvoll, da die Tour vom lieblichen Gelände ins wildere, felsige Terrain wechselt. Abwechslung ist somit garantiert! Wer menschenscheu ist, kann beruhigt sein, das Panorama und die Ruhe kann man hier meist alleine genießen. Viel Spaß!