Versteckt in einer Seitengasse unweit des Alpinmuseums residiert Münchens ältestes Spezialgeschäft: die Rahmenwerkstatt Pfefferle
Wache, unter einem uneitlen Scheitel gutmütig funkelnde Augen, das gut durchblutete Gesicht gerahmt von einem vollen Bart, ein lässig gebundener Schal als einziges modisches Accessoire – Michael Pfefferle verströmt die beruhigende Aura eines Menschen, der das, was er tut, (sehr) gut und ausgesprochen gern macht. Die Umgebung, in der er das tut – feiner Stuck, Tische aus dunklem Holz, textilbespannte Wände, an denen eine Unzahl alter, offensichtlich wertvoller, leerer Rahmen hängt – scheint allerdings auch kaum angetan, einem das (Arbeits-)Leben zu vergällen. Und sie kündet unzweifelhaft von der Tätigkeit des Hausherrn: „Werkstatt für Rahmen und Restaurierungen“.
Michael Pfefferle führt Münchens ältestes Privatgeschäft in fünfter Generation. 1859 war sein Ururgroßvater Joseph aus Tirol in die Residenzstadt gekommen, hatte in der Briennerstraße die „Rahmen- und Vergolderwerkstatt Pfefferle“ eröffnet und vor allem Altarbildern zierende Umrandungen gegeben. Sein Sohn Karl transferierte den Betrieb in die Türkenstraße und spezialisierte sich auf das, was bis heute das Kerngeschäft ausmacht: individuelle Einzelanfertigungen von Bilderrahmen für Museen und Privatleute. Als das Stammhaus in der Maxvorstadt nach dem 2. Weltkrieg dem Ausbau des Altstadtrings weichen muss, zieht der Handwerksbetrieb an seinen heutigen Standort im Lehel um.
Dort hat auch Michael Pfefferle sein (Kunst)Handwerk gelernt. Und an der Meisterschule in der Luisenstraße nahe des Hauptbahnhofs (aber geistig vielleicht näher an den Pinakotheken) die Ausbildung zum Vergolder und Fassmaler absolviert. Wobei Pfefferle gern noch mal klarstellt, dass es natürlich nicht darum gehe, Fässer zu bemalen. „Dort lernt man, wie man Figuren – oder eben Rahmen – farbig fasst, also bemalt.“
Von einem Bild unter der Decke der Werkstatt blickt Pfefferles Urgroßvater auf den Restaurator herab, der gerade eine moderne Papierarbeit in einen großen, dunkel gebeizten Rahmen montiert. Außer ihm arbeiten zwei Vergolder und ein Patina-Experte in den hellen Räumen. Es riecht nach Leim, Kreide und Harz. Die Feinheiten seiner Tricks und Materialien verrät Pfefferle nicht: „Da hat jeder seine Hexenküche“. Eine junge Vergolderin, tätowiert bis zu den Ohrläppchen, legt an einem kleinen Rahmen letzte Hand an. Mit einem Achat verdichtet sie die hauchdünnen Blattgoldschichten, so dass sie noch intensiver zu glänzen beginnen. „Das haben schon die alten Ägypter so gemacht“, erklärt Michael Pfefferle.
Um die 1000 Rahmen fertigen die Werkstätten im Jahr, ein gutes Drittel davon sind aufwändigere Arbeiten, die schon mal 150 bis 200 Arbeitsstunden beanspruchen. Die musealen Aufträge aber, gut für das Prestige der Werkstatt, werden ihr nicht zugeschustert oder aufgrund von Vertrauen oder Expertise vergeben, die sie nach fast 170 Jahren unzweifelhaft für sich in Anspruch nehmen kann. „Museen schreiben aus“, klärt Pfefferle auf. „Und sind verpflichtet, das günstigste Angebot zu nehmen“, schiebt er mit leicht gequältem Lächeln nach. Dennoch zählen ein paar der renommiertesten Häuser zu seinen Kunden, die Albertina in Wien etwa, das Salzburger Barockmuseum oder die Alte Pinakothek in München. Für letztere hat er gerade erst die frisch restaurierte „Beweinung Christi“ des Renaissance-Genies Sandro Botticelli gerahmt, verrät Pfefferle, und kurz darauf auch eine wesentliche Antriebsfeder seines Tuns: „Das ist schon ein Privileg, mit solchen Meisterwerken zu tun zu haben und sie aus der Nähe betrachten zu dürfen. Die Leute konnten eben toll malen damals.“
Ein Stück weit ist sein Betrieb, versteckt in der kurzen Gewürzmühlstraße zwischen Haus der Kunst und Alpinmuseum, selbst eine Galerie. Seit seinem Urgroßvater sammelten die Pfefferles historische Rahmen, die ihnen bis heute als Anhaltspunkte für ihre Nachschöpfungen dienen. Wenn er sie in die Hand nimmt, kommt Michael Pfefferle ins Schwärmen. Und ins Erzählen. Wie man gotische Rahmen etwa am so genannten Wasserschlag erkennt, eine von der damaligen Architektur abgeschaute Abschrägung der unteren Leiste, die bei Fenstern verhindern sollte, dass sich der Regen darin fängt. Die beginnende Profilierung hätte dann in der Renaissance begonnen, wo die Bilder schon vorwiegend im privaten Bereich, oder unter dem schützenden Dach der Kirchen, betrachtet werden und deshalb von Umwelteinflüssen weitgehend verschont werden konnten.
Ein ums andere antike Rechteck – über 2000 umfasst die unschätzbare Sammlung insgesamt – holt er von den Schiebewänden, einen am Akanthus-Relief zu identifizierender Barockrahmen aus Bologna, die an Zierrat immer weiter ausufernden französischen Rahmen von Louis-treize bis -seize oder einen für den Münchner Josef Effner typischen aus dem bayerischen Spätbarock. Es sind dies auch die Muster der Rahmen, auf die die Werkstatt spezialisiert ist, Rekonstruktionen historischer Vorbilder, die inklusive – künstlich hergestellter – Patina so täuschend alt aussehen, dass nur der Experte sie von einem Original unterscheiden kann. Das allerdings geht, verrät Pfefferle, ganz einfach „Man braucht den Rahmen nur umzudrehen. Da sieht man auf den ersten Blick, dass das Holz nicht alt ist.“
Es sind nicht immer Alte Meister, die die Kunden in die Gewürzmühlstraße tragen, einmal, erinnert sich Pfefferle, brachte jemand eine Schuluniform, die angeblich AC/DC-Gitarrist Angus Young getragen hatte. Und der Vater führt schon seit fast 35 Jahren, sozusagen als Gegenprogramm zu soviel geballte Alte Meisterschaft, im Münchner Gärtnerplatzviertel eine Galerie für zeitgenössische Kunst.
Auch in der Werkstatt selbst gibt es ein paar Zugeständnisse an die Moderne. „In der Schreinerei verwenden wir inzwischen eine Kreissäge“, gibt Pfefferle zu. Und auch, dass es ein paar Einsatzmöglichkeiten für den Computer gibt. „Früher haben die Kunden ein Foto von dem Bild, dass sie gerahmt wissen wollten, mit der Post geschickt. Heute kommt es in der Regel per Mail.“ Pfefferle kann dann seinen Vorschlag für die Rahmung animieren und zurückmailen. Immerhin ein Zugeständnis an Gegenwart und Zukunft?
Ob die Werkstatt einmal in sechster Generation weitergeführt wird, kann Michael Pfefferle hoffen, ausgemacht ist es noch nicht. Seine beiden Söhne sind Grundschüler, und ihr derzeitiger Traumberuf, lächelt Pfefferle ein mildes Vaterlächeln, sei Feuerwehrmann.
Karl Pfefferle, Werkstatt für Rahmen und Restaurierungen
Die Preisspanne ist groß, sie reicht von 300 Euro für einen einfachen Rahmen bis zu 40 000 Euro, die ein aufwändig geschnitzterer, vergoldeter Rahmen kosten kann, wenn er überdies außergewöhnlich groß ist, der nimmt dann auch mal mehr als 300 Stunden Arbeitszeit in Anspruch.
Gewürzmühlstr 5, 80538 München, T. 089/29 52 92, Web: www.rahmenwerkstattpfefferle.com