Vier Tirolerinnen und ihre Lieblingsplätze in der Heimat: eine Hüttenwirtin in der Einsamkeit, eine Bergretterin am See, eine Kräuterexpertin auf der Alm und eine Wanderführerin am Berg
Den schönsten Platz auf Erden gibt es nicht. Zumindest nicht diesen einen, der für alle gilt. Jeder Mensch hat seinen ganz eigenen Lieblingsplatz. In Tirol liegt solch ein Ort für viele in der Natur, in den Bergen. Ein spektakulärer Wanderweg mit einer schönen Aussicht, ein Bergsee vor einem beeindruckenden Panorama, ein dahinplätschernder Bach mit vom Wasser rundgeschliffenen Steinen oder einfach nur die bunte Wiese hinterm Haus. Diese Plätze geben vier Tirolerinnen genau das, was sie brauchen: Geborgenheit, Glück, Ruhe und neue Energie.
Silvia Mair, 26, Bergwanderführerin in Imst
Auf dem Drischlsteig am Muttekopf den Gästen die wilde Schönheit der Heimat zeigen
Es gibt dieses eine Foto vom Drischlsteig, man könnte denken, es ist eine Aufnahme von einem dieser unglaublich gefährlichen Wege in den Anden oder irgendwo in Asien. Ausgesetzt an einem Felsen führt der schmale Pfad um den Berg, rechts geht es steil hinunter, links steil hoch, vorne: weiter Blick ins Tal. Doch dieser Weg liegt mitten in Tirol. Hoch über Imst führt der Drischlsteig zur Muttekopfhütte. „Schwindelfrei und trittsicher sollte man schon sein“, sagt Bergwanderführerin Silvia Mair, die den Steig kennt wie ihre Westentasche. „Aber Angst muss man keine haben, der Steig ist gut gesichert. Ich bin ihn schon als Kind mit meinem Onkel gegangen.“ Dieser Onkel, der Helmut, ist auch Bergwanderführer und mit ihm bildet Silvia Mair ein Team. Mit 15 Jahren, in ihrer Lehrzeit im Modegeschäft ihrer Mutter, hat Mair gemerkt, dass so ein Geschäft nichts für sie ist. Und so machte sie eine Ausbildung zur Wanderführerin. Auch wenn Silvia Mair anfangs nicht sicher war, ob sie mit Gästen genau so gerne in die Berge geht wie alleine – heute ist sie glücklich mit der Berufswahl: „Wenn ich den Leuten meine Heimat zeigen kann und sehe, was die für eine Gaudi haben, dann ist das für mich die absolute Erfüllung.“ Der Drischlsteig ist heute noch einer ihrer Lieblingswege. Von Hoch-Imst fährt man mit dem Sessellift zum Alpjoch und von dort geht es in rund 30 Minuten über den gesicherten Steig zur Muttekopfhütte, wo eine leckere Kasknödelsuppe wartet. Wer mag, geht dann noch weiter und fährt mit dem Alpine Coaster hinunter.
Katharina Daum, 51, Hüttenwirtin auf der Olperer Hütte im Zillertal
Alle drei Wochen kommt der Hubschrauber mit Lebensmitteln
Mächtig ragt der breite Rücken des 3.476 Meter hohen Olperers hinter dem Haus auf. Wer ihn bezwingen will, sollte geübt sein im Bergsteigen. Katharina Daum ist es. Sie war schon oft auf dem Gipfel. Warum? Erstens ist der Olperer ein guter Trainingsberg, wie sie sagt, schließlich besteigt sie in ihrer Freizeit zahlreiche Gipfel rund um den Globus. Und zweitens wohnt sie ihm quasi zu Füßen. Daum ist die Wirtin der Olperer Hütte. „2.389 Meter über dem Alltag“, heißt es auf der Webseite, die die zuständige DAV-Sektion Neumarkt i. d. Oberpfalz für die Olperer Hütte eingerichtet hat. So empfindet es auch Daum: „Wir leben den ganzen Sommer über abseits des normalen Alltags, weit weg vom Autoverkehr. Es ist ein anderes Leben, ein spezielles Leben. Aber wir vermissen nichts.“ Mit „wir“ meint Daum auch ihren Sohn, mit dem sie vor 23 Jahren beschloss sich als Hüttenwirtin zu verdingen. Damals war sie selbst erst 27 Jahre alt und alleinerziehende Mutter eines 7-Jährigen. Mittlerweile ist der Sohn 30 und bewirtschaftet die Olperer Hütte seit 2007 zusammen mit seiner Mutter. Damals war die 1881 erbaute Hütte von der DAV-Sektion gerade abgerissen und ganz neu und modern wieder aufgebaut worden. Seitdem ragt die Giebelseite der Hütte mit einem riesigen Panoramafenster über die Hangkante hinaus, so haben die Gäste einen spektakulären Blick über den Schlegeis Speichersee und in die Zillertaler Berge. Das Sommerdomizil von Katharina Daum liegt auf der Peter-Habeler-Runde und am Berliner Höhenweg. Entsprechend viele Wanderer kommen hier vorbei. „So eine Hütte zu betreiben ist schon eine Herausforderung, wir müssen gut planen. Alle drei bis vier Wochen kommt der Hubschrauber und bringt neue Lebensmittel. Aber wenn es mal zu neblig ist, müssen wir eben hinunter zu Stausee und die Sachen im Rucksack zu Fuß hochschleppen“, sagt Daum. „Aber auch wenn es oft umständlich und anstrengend ist, möchte ich es nicht gegen ein anderes Leben eintauschen. Ich würde alles wieder genauso machen“.
Regina Poberschnigg, 55, Leiterin der Bergrettungsstelle in Ehrwald
Am Seebensee vom harten Alltag bei der Bergrettung entspannen
Türkis, Dunkelblau, Sattgrün – je nach Wetterlage leuchtet der Seebensee in Ehrwald in unterschiedlichen Farben und spiegelt die Berge wieder. Es ist ein traumhaftes Fleckchen Erde hier oben auf 1.657 Metern im Mieminger Gebirge. Der Weg von der Bergstation der Ehrwalder Almbahn führt in rund zwei Stunden zum See. „Ich gehe am liebsten in den Abendstunden an den Seebensee, wenn es ruhiger wird und das Licht so schön ist“, sagt Regina Poberschnigg. „Von hier sieht man den Wetterstein, der in der Abendsonne auf Grund seines orangeroten Dolomitgesteins so schön leuchtet.“ Poberschnigg ist Chefin der Bergrettung in Ehrwald. Eine mittlere Sensation. Denn in Tirol ist es Frauen erst seit 1999 erlaubt, bei der Bergrettung zu arbeiten – auch dank Regina Poberschnigg, die in den 1990er Jahren viel für diese Gesetzesänderung kämpfte. „Das Vorurteil, dass Frauen dazu konditionell und körperlich nicht in der Lage wären, ist schon damals absoluter Quatsch gewesen“, sagt die ausgebildete Bergwanderführerin, Notfallsanitäterin und Flugretterin. Die Leistungsunterschiede sind innerhalb eines Geschlechts größer als zwischen den Geschlechtern und bei einem Einsatz kommt es darauf an, die unterschiedlichen Talente und Charaktere der Beteiligten zu einem kompetenten Team zusammenzuschweißen. Alle müssen gut ausgebildet und topfit sein, denn ein Spaziergang ist so ein Einsatz in den Bergen nie.“ Dafür braucht man Energie und die holt sich Poberschnigg eben am Seebensee. Hinsetzen, in die Natur schauen, erholen. „Ich bin jedes Jahr woanders, Nepal, Peru, Afrika – alles wunderschön. Aber schlussendlich nichts gegen das, was wir hier haben.“
Elisabeth Maaß, 61, Kräuterexpertin und Bäuerin am Sagenschneider Hof in Ried im Oberinntal
Zum Frühstück bekommt jeder einen individuell abgestimmten Wildkräuter-Smoothie
Meisterwurz, das ist eine der besten Universalpflanzen. Findet jedenfalls Elisabeth Maaß. Die Bäuerin vom Sagenschneider Hof in Ried im Oberinntal ist eine echte Kräuterexpertin. „Die Meisterwurz hilft gegen Demenz, ist gut fürs Herz und vertreibt Kopfschmerzen. Ginko der Alpen wird sie deswegen auch genannt. Und jetzt im Frühjahr kann man sie am besten ernten, hier bei uns, auf rund 1.300 Metern wächst sie viel. Ich mache daraus am liebsten Tee und Pesto.“ Täglich verbringt Elisabeth Maaß viel Zeit mit Sammeln, Trocknen und dem Verarbeiten der Kräuter. „Die Natur ist mein Kräutergarten, da kann mein eigener Garten nicht mithalten“, sagt sie. Hinterm Haus, die Wiesen hoch, auf den Almen – überall findet Maaß was Gutes für die Gesundheit – wilder Thymian: „der beruhigt und macht warm ums Herz“, Birkenblätter: „gut für sensible Menschen“, Brennnessel: „gut gegen Müdigkeit“. Fast jedes Kraut ist für irgendetwas gut. Und gegen fast alles ist ein Kraut gewachsen. „Nur gegen die Liebe und die Dummheit – da gibt es nichts in der Natur“, sagt Maaß. Die Kräuterexpertin hat ihr Wissen als Kind von ihrer Mutter gelernt. Als später ihr Mann schwer erkrankte, erinnerte sich die Bäuerin an die Rezepte und band die Heilkräuter in den Alltag ein. Ergebnis: Ihr Mann wurde wieder gesund. Seither gibt Elisabeth Maaß Kräuterseminare und geführte Kräuterwanderungen, sie stellt Kräuterlotionen her und Tees. Neben ihrem Mann profitieren wohl am meisten die Urlaubsgäste auf dem Bauernhof von ihrem Wissen: „Zum Frühstück bekommt bei uns jeder Gast einen Wildkräuter-Smoothie. Zuerst schaue ich mir die Menschen genau an und dann stimme ich die Zusammensetzung des Smoothies und auch der Tees genau auf sie ab.“
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