So sehen glückliche Schafe aus: Mit lautem Bimmeln sprinten die Villnösser Brillenschafe über die Hänge, klettern selbst steilste Hänge hinauf, scharen sich um ihren Hirten, wenn dieser kommt, um nach dem Rechten zu sehen. An die 2.000 dieser Wollträger mit den dunklen Ohrspitzen und der charakteristischen schwarzen „Brille“ rund um die Augen weiden heute wieder auf den Hochalmen rund um das Dolomitental – vor gut zwanzig Jahren waren es gerade noch 200
Dass sich die vom Aussterben bedrohte Haustierrasse wieder auf Südtrorls Weiden etabliert hat, ist zum einen den ureigenen Qualitäten der Schafe zu danken, die für die seidigen, stabilen Fasern ihrer Wolle ebenso bekannt sind wie für zartes und dennoch hocharomatisches Lammfleisch. Zum zweiten den engagierten Landwirten, die sich dagegen stemmten, dass die seit dem 18. Jahrhundert zu Füßen der Geisslerspitzen beheimatete Rasse vollends ausstarb. Und zum dritten einer klugen Marketingstrategie, mit der es gelang, Genießer und „Slow Food“-Verfechter ebenso für Brillenschaf-Produkte zu begeistern wie Liebhaber von Naturwoll-Produkten. Einer davon: Michi Klemera, Geschäftsführer des Alpin-Modelabels Luis Trenker. Er lässt – als Teil seiner Bemühungen um mehr Regionalität und Nachhaltigkeit – aus der Brillenschaf-Wolle Fließe fertigen, die als wärmende Fütterung von Jacken verwendet wird.
Wolle – ein Material voll toller Eigenschaften
Gerade in dieser Funktion kann Wolle viele ihrer herausragenden Eigenschaften ausspielen: Sie wirkt wärmeregulierend, das heißt: Sie wärmt, wenn der Träger fröstelt, unterbindet aber Hitzewallungen, wenn es beim Wandern einen strammen Anstieg gibt. Sie ist feuchtigkeitsregulierend und kann bis zu einem Drittel ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich deshalb nass anzufühlen. Und sie nimmt, anders als Gewebe und Fließe aus synthetischen Materialien, keinerlei Gerüche an.
Strickprodukte und Lamm-Delikatessen
Auch im Tal selbst werden Filzprodukte, Strickwaren, Garne und auch naturbelassene Heilwolle vom Brillenschaf angeboten, die auf den uralten Maschinen der Firma Naturwoll (www.naturwoll.com) hergestellt werden wie zu Großmutters Zeiten. Lammdelikatessen – vom Schinken über Lammsalami bis zum feinen Lammragout im Glas – gibt es bei beim eigens hierfür gegründeten Genussvertrieb Furchetta (www.furchetta.it). Wer nicht nur die Produkte genießen, sondern auch die Lebenswelt der Villnösser Brillenschafe erkunden möchte, den lädt das Tal zwischen 1. und 11. Oktober zu den Lammwochen ein: Dann tischen viele Gastbetriebe Köstlichkeiten mit Lammfleisch auf. Und auf einer geführten Lammwanderung geht es hinauf zu den Almen, um den Schafen Aug in Aug gegenüber zu stehen und auch mehr über die Arbeit und das Engagement der Bergbauern zu erfahren.
Landschaftspfleger auf vier Beinen
Sie bekommen durch die kluge Vermarktung der Brillenschaf-Produkte viel Unterstützung. Denn Schafzucht so zu betreiben, dass auch nur die dafür aufgewendeten Kosten refinanziert werden, ist in Zeiten billiger Wolle aus China und Neuseeland nicht einfach. Und doch ist sie, gerade in den Steillagen oberhalb des Eisacktals von immenser Bedeutung: Die leichten, doch mit sehr festen, trittsicheren Hufen ausgestatteten Villnösser Brillenschafe können auch noch dort grasen, wo es für Kühe zu karg und steil ist. Dabei treten sie die Samen von Gräsern und Kräutern fest und verhindern so zum einen die Erosion der dünnen Erdkrume und zum anderen das Verbuschen von Weideflächen. Damit leisten die Schafe einen unersetzlichen Beitrag, um die Dolomitenlandschaft in ihrer ganzen Schönheit zu erhalten.