Meine Wahlheimat Garmisch-Partenkirchen hat einiges zu bieten. Traditionelle Trachten, die Olympia-Skisprungschanze, eine historische Bobbahn, die Burgruine Werdenfels, die Partnach- und Höllentalklamm, den Eibsee … Die Aufzählung ist nicht ganz vollständig, denn es fehlt noch? Na klar, die Zugspitze! Der höchste Berg Deutschlands, auf deren Haupt sich jährlich rund 500.000 internationale Besucher tummeln. Mit 2.962 Metern ist sie Deutschlands Königin.
Das Wettersteingebirge, welchem die Zugspitze entspringt, zieht sich als langer Kamm zwischen Deutschland und Österreich. Felstürme, Zacken, schmale Grate, Bollwerke aus Stein. Ein eher ungemütliches Terrain für Touristen und damit für den Großteil der Menschen unzugänglich. Das wilde Gebirge ist jedoch umso beliebter bei Bergsteigern, Kletterern, Alpinisten. Ein großer Abenteuerspielplatz für Experten. Wer sich fragt, was das nun mit einer leichten Wanderung zutun hat? Blickt man von einem der anspruchsvollen Wetterstein-Gipfel Richtung Norden, werden direkt gegenüber Wanderträume wahr. Zwischen Loisach- und Isartal liegt das Estergebirge, welches auch Krottenkopfgebirge genannt wird.
Namensgeber ist der mit 2.086 Meter hohe Krottenkopf, der höchste dieser Kette. Die Gipfel erstrecken sich vom Simetsberg am Walchensee über die Hohe Kiste, Hoher Fricken und dem Wank. Auf alle Berge führen leichte bis mittelschwere, gut markierte Wanderwege, die auch für weniger forcierte Bergsteiger zugänglich sind. Die Garmischer Bergwelt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten, allen voran reizvolle Kontraste. Somit können auch „Mikro-Abenteuer“, wie diese kleine, aber feine Wanderung zur „Eckenhütte“ für einen erfüllten Tag sorgen. Frei nach dem Motto: zur Ruhe kommen, in sich ankommen, verweilen, atmen, loslassen …
Wandern im Januar? Sollte ich nicht eigentlich in tiefen Pulverhängen meine Locken ziehen, anstatt auf grünen, meist schneefreien Bergpfaden zu spazieren? Das wäre der Plan gewesen. Doch der Klimawandel schlägt uns ein Schnippchen. Laut Diplom-Meteorologe Dominik Jung könnte der Winter 24/25 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 werden. Temperaturen im Januar und Februar könnten bis zu 3 Grad über den langjährigen Mittelwerten liegen und damit in die Geschichtsbücher eingehen.* Schaue ich von meiner Wohnung in Grainau zur Südseite des Kramer, sehe ich einen grünen Berg mit kleinen Schneefeldern im Gipfelbereich. Auf knapp 2000 Metern sollte das im Januar anders aussehen. Die Vorberge rund um Murnau sind schon lange schneefrei. Touren sind kaum möglich. Außer im Skigebiet. Um eine Skitour gehen zu können, muss auf Eispisten aufgestiegen werden. Allerdings ist das nicht die Art von Skitour, für die ich brenne. Im Gegenteil, mir ist die Lust in diesem Winter am Tourengehen teilweise abhandengekommen.
Der Wank ist mein Hausberg, dessen Gipfel am heutigen Tag ausnahmsweise nicht das Ziel darstellt. Denn wir haben eine kürzere Wanderung geplant. Für diese schöne Tour kommen meine Eltern aus München zu Besuch. Zur Entschleunigung haben wir uns eine aussichtsreiche, gemütliche Wanderroute ausgesucht. Das Ziel liegt nahe der Wankbahn-Mittelstation – die urige Eckenhütte auf 1.160 Metern. Am Parkplatz des geschlossenen Kletterwaldes oberhalb der Talstation gehts los. Auf der topografischen Bergkarte am Anfang des Wanderweges verschaffen sich meine Eltern einen Überblick über das Wank-Gebiet im Estergebirge. Als sie die heutige Route nachvollzogen haben, laufen wir zusammen los. Zunächst geht es über die breite Forststraße ca. 300 Meter flach dahin. Bevor sie steiler wird, zweigt ein breiterer Karrenweg rechts ab. Gelbe DAV-Wegweiser machen die Orientierung leicht. Wir müssen Richtung „Wank/Eckenhütte“. Letztere ist von diesem Standpunkt aus in ca. einer Stunde erreichbar. Insgesamt ist der breite Weg zur Hütte leicht zu begehen.
Durch Vorsicht! Es handelt sich um keine platt gewalzte Straße. Grobe Steine, die im nassen sowie eisigen Zustand sehr rutschig sein können, erfordern griffiges Schuhwerk mit einer guten Profilsohle. Für einen Kinderwagen ist der Weg zu steil und zu ruppig. Unsere Grödel, sogenannte Schneeketten für Schuhe, haben wir vorsichtshalber in den Rucksack gepackt. Sie sorgen bei vereisten Verhältnissen für den nötigen Grip unter den Schuhsohlen. Wir schlagen ein angenehmes Tempo an, da wir es heute ausnahmsweise nicht eilig haben. Es bleibt somit Zeit für kurze Pausen, um die Aussicht sowie die Landschaft um uns herum ausgiebig zu genießen. Der blaue Himmel spannt sich über unsere Köpfe. Die wärmenden Sonnenstrahlen kommen uns am frühen Morgen durch die Baumkronen entgegen. Ein besonderes goldenes Licht, wie man es vom Herbst kennt. Für das visuelle Wohlbefinden ist also gesorgt. Auch die Akustik kommt nicht zu kurz. Zwei Vögel trällern im Wald um die Wette und erfüllen die Luft mit lautem Gesang. Begrüßen sie den wunderschönen Morgen oder verteidigen sie pflichtbewusst ihr Revier?
Noch ein Geräusch, das ich liebe: Der wenige Schnee auf dem Weg knirscht unter meinen Füßen. Dieser Sound bedeutet für mich Winter! Allerdings meint das dabei entstehende Gefühl den echten Winter, welcher mittlerweile auf der Roten Liste einer aussterbenden Spezies steht. Durch eine größere Lücke blicken wir auf Garmisch-Partenkirchen. Die Dächer der Stadt glitzern im gleißenden Sonnenlicht. Dahinter ragt das majestätische Zugspitz-Massiv hervor. Durch die nordseitige Ausrichtung sind die Bergflanken einheitlich weiß. Somit erweckt das Bild vor mir tatsächlich einen winterlichen Eindruck. Die Alpspitze sticht als wohlgeformte Pyramide alle Berge ringsum mit ihrem alpinen Charme aus. Der Kontrast zu den mit Heuschobern bespickten grünen Almwiesen im Tal könnte nicht schöner sein.
Am Ende des Blickfeldes erhebt sich die Spitze des Daniel (2.340 m), der höchste Gipfel der Ammergauer Alpen. Nachdem wir eine längere, flache Querung hinter uns gelassen haben, ist es nicht mehr weit. In rund 10 Minuten werden wir die unbewirtschaftete Eckenhütte erreichen. Was viele nicht wissen: Der Name der Hütte leitet sich vom alten und ursprünglichen Namen des Wank ab. Wank ist ein altes Wort und bedeutet „Hang“. Früher wurde der Berg allerdings Eckenberg oder Eggenberg genannt, bevor er seinen heutigen Namen erhielt. Seit 1923 ist der Gipfel mit der Wankbahn erschlossen. Diese wurde jedoch 1982 durch eine für diese Zeit moderne Umlaufkabinenbahn ersetzt. Auch wenn ich die kleinen Retro-Kabinen der Bahn kenne, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass die Bahn tatsächlich schon 43 Jahre alt ist! Aktuell werden in der Mittelstation an beiden Sektionen die Motoren und die komplette Steuerung erneuert. Die Bahn ist daher erst nach der Revision einsatzbereit. Mit ihrem Retro-Design ist die Wank-Bahn sehr beliebt bei Tagestouristen, die ohne Anstrengung einen schönen Bergtag verbringen möchten.
Auf dem lang gezogenen Gipfelplateau gibt es zudem die Möglichkeit, sich entweder auf dem urigen Wankhaus oder der Terrasse der Sonnenalm direkt an der Seilbahn, mit leckeren bayerischen Spezialitäten verköstigen zu lassen. Die Wank-Saison startet ab dem 01.05.2025 in die Sommersaison. Ab diesem Datum hat die Bahn sowie die Restaurants auf dem Gipfel für Gäste wieder geöffnet. Je nach Witterung und Schneelage geht die Saison bis Ende November. An schönen Wochenenden mit Hochdruckeinfluss zeichnen sich die Bergsilhouetten ringsum gestochen scharf am Horizont ab. 360 Grad Panorama. Dementsprechend gut besucht ist das weitläufige Gipfelplateau, welches mit zahlreichen Wanderwegen durchzogen ist. Wer mit der Bahn hochfährt, kann sich oben auf einen ausgiebigen Gipfelspaziergang mit toller Aussicht freuen! Das Gegenteil erlebt man in den Wintermonaten. Anders als zur trubeligen Sommerzeit ist es am Wank in der Off-Season durch die geschlossene Infrastruktur ungewohnt ruhig. Daher ein absoluter Wander-Tipp, möchte man die Natur für sich alleine genießen.
Unsere Wanderung neigt sich langsam dem Ende zu. Auf einer Holzbrücke überqueren wir eine mit umgestürzten Baumstämmen bespickte wilde Schlucht. Durch sie windet sich ein gefrorener Bach, der den Wanderweg für ein paar Meter zu einer gepanzerten Eisplatte werden lässt. Gut, dass wir unsere Grödel (Snow-Spikes) dabei haben! Schnell über die Schuhe ziehen, fertig. So kann das Hindernis ohne Schwierigkeiten begangen werden. Wir verlassen nun den schattigen Wald und treten auf die sonnendurchflutete Hochebene der Almwiesen. Auf dem breiten Weg wandern wir der Sonne entgegen, die uns mit ihren wärmenden Strahlen freundlich empfängt. Das Panorama ist immer wieder überwältigend, so oft ich es schon gesehen habe. Die verschneite Felskette des Wettersteingebirges erhebt sich stolz wie ein Schutzwall hinter der Stadt Garmisch-Partenkirchen. Mir stechen die zwei bekanntesten Berge gleich ins Auge: Alpspitze (2.628 m) und Zugspitze (2.962 m).
In einem großen Bogen laufen wir immer noch den DAV-Schildern folgend, hinauf zur Eckenhütte. Die große Wiese ist von Schnee bedeckt und lässt dadurch ein wenig Winterfeeling aufkommen. Zahlreiche Bänke laden zum Verweilen ein. Schnell merken wir, dass es auf der Bank viel windiger ist als bei der Hütte. Also setzten wir uns in den Windschatten an die warme Holzwand. So in der Sonne sitzend, können wir es aushalten. Die mitgebrachte Brotzeit schmeckt bei diesem grandiosen Ausblick doppelt so gut. Anschließend heißt es einatmen, durchatmen, entspannen …
Nach der ausgiebigen Pause laufen wir auf dem Aufstiegsweg wieder hinab zum Ausgangspunkt, dem Parkplatz am Klettergarten. An dieser Stelle gibt es von mir einen Rundtour- bzw. Einkehr-Tipp: Eine schöne Alternative wäre der Abstieg über die nahe gelegene „Tannenhütte“. Von der Eckenhütte folgt man der Beschilderung in Richtung Süden. Nach ca. 10 Minuten wird die bewirtschaftete Tannenhütte erreicht. Sie ist vom 27.01 bis 27.02.25 von Freitag bis Sonntag von 11-17 Uhr geöffnet sowie vom 28.02 bis 09.03.25 von 11-17 Uhr. Die Hütte ist nicht nur für ihre selbst gemachten Kuchen bekannt, sondern auch als Fotospot für Sonnenauf- und Untergänge über den Dächern von Garmisch-Partenkirchen. Ein weiteres Highlight gibt es gleich im Anschluss im Abstieg. Über einen breiten Wanderweg quert man die „Hacker-Pschorr-Hängebrücke“. In 30 Metern Höhe und auf einer Länge von 57 Metern schwebt die Hängebrücke über dem Faukengraben und erspart den Wanderern ca. 30 Minuten Umweg. Sie bietet zudem einen grandiosen Ausblick auf die umliegende Bergwelt. Anschließendquert man oberhalb der Ortschaft Partenkirchen auf einem bequemen Weg zurück zum Klettergarten.
*Frankfurter Rundschau, Dominik Jung, 18.12.24
Winterwanderung Exposition // Süd Fakten // 230 Höhenmeter, 2 Kilometer // Zeitbedarf gesamt: 3 Stunden
Schwierigkeit // Leicht
Land // Bayern/Wettersteingebirge/Garmisch-Partenkirchen
Orientierung // Vom Parkplatz des Kletterwaldes, welcher im Winter wegen des geschlossenen Eventgeländes kostenlos ist, folgen wir der Forststraße in nördlicher Richtung. Nach ca. 200 Meter gehts an der Gabelung rechts weg. Dort folgt man dem Wegweiser „Wank/Eckenhütte“. Letztere ist laut Angabe in 60 Minuten zu erreichen. Perfekt geeignet als gemütliche Familientour oder als schnelle After-Work-Runde. Bis zur Eckenhütte folgt man immer dem breiten Weg in östlicher Richtung. Nach 35 Minuten passiert man eine Holzbrücke, welche eine wilde Schlucht quert. 10 Minuten später wird die aussichtsreiche Panorama-Wiese erreicht. In der Mitte steht die kleine, urige Privathütte. Zahlreiche Bänke laden zum Verweilen ein. Dank grandiosem Alpspitz-Zugspitz-Blick schmeckt die Brotzeit noch ein bisschen besser. Abstieg wie Aufstieg.
Anreise // Von München kommend auf der A95 nach Garmisch-Partenkirchen. Der Beschilderung zur „Wankbahn“ folgen. Nach dem Ende des Parkplatzes weiter hinauf zum ausgeschilderten Kletterwald, wo sich zahlreiche Parkmöglichkeiten befinden.
Parkplatz // An der Talstation der Wankbahn oder besser am Kletterwald.
Kosten // –
Zu empfehlen: öffentliche Anreise // Vom Münchner Hbf mit der Regionalbahn RB6 nach Garmisch-Partenkirchen. Dort umsteigen in den Bus 5 „Gemeindewerke Garmisch-Partenkirchen“. Fünf Stationen sind es zur Station „Wankbahn“. Zeitbedarf insgesamt: 1h 50 Minuten.
Ausrüstung // Wanderschuhe, Stöcke, Brotzeit.
Beste Jahreszeit // Ganzjährig.
TIPP 1 // Rundtour: Von der Eckenhütte in östlicher Richtung dem Pfad zur kleinen „Hacker-Pschorr-Hängebrücke“ folgen. Der breite Wanderweg geht nun gerade hinab nach Partenkirchen. Auf dem „Brunnhäuslweg“ am Rande der Siedlung zur bekannten Wallfahrtskirche „St. Anton“. Auf dem „Esterberger Weg“ am „Berggasthof Panorama“ vorbei, bis der Parkplatz des Kletterwaldes erreicht wird. Damit schließt sich die kleine, aber feine Rundwanderung. Notiz: Es müssen bei dieser Variante 90 Höhenmeter zusätzlich aufgestiegen werden. Allerdings sehr lohnend. 🙂
Tipp 2 // Einkehren im Berggasthof Panorama: ab dem 01.03.2025 wieder täglich geöffnet von 12-21:30 Uhr. Dort kann man bayerische Spezialitäten nach einem Bergtag in einem gemütlichem Ambiente genießen.